Grüne Jugend: Neues Führungsduo will Partei nach links rücken

Grüne Jugend: Neues Führungsduo will Partei nach links rücken


Wahl bei Nachwuchsgruppe

Neues Führungsduo will Grüne Jugend nach links rücken

Die Jugendorganisation der Grünen hat eine neue Spitze. Henriette Held und Luis Bobga möchten soziale Fragen ins Zentrum rücken. An ihrer Vorgängerin gab es zuletzt deutliche Kritik.

Neu gewählte Grüne-Jugend-Spitze Held (l.) und Bobga

Neu gewählte Grüne-Jugend-Spitze Held (l.) und Bobga


Foto: Sebastian Willnow / dpa

Die Grüne Jugend hat ein neues Führungsduo. Bei ihrem Bundeskongress in Leipzig hat die Grünen-Nachwuchsorganisation Henriette Held und Luis Bobga gewählt. Ihre Vorgänger Jette Nietzard und Jakob Blasel hatten nicht mehr kandidiert. Nietzard hatte mit provokanten Äußerungen Widerstand auch in der eigenen Partei ausgelöst.

Held wurde mit 93,6 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt, Bobga mit deutlich schlechteren 76,2 Prozent. Beide hatten keine Konkurrenz und hielten umjubelte Bewerbungsreden.

Mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland

Die neuen Bundessprecher, wie die Grüne Jugend ihre Chefs nennt, sind beide 23 Jahre alt. Held kommt aus Berlin und studiert in Greifswald Klima- und Umweltrecht. »Die Klimakrise, die ist kein Naturphänomen, die ist eine Klassenfrage und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit«, sagte sie in ihrer Bewerbungsrede.

Held, die bisherige Vorsitzende des Grüne-Jugend-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern, will die Lage in Ostdeutschland stärker auf die Agenda heben. »Wir müssen Sichtbarkeit für ostdeutsche Perspektiven und Themen im Verband und in politischen Debatten schaffen«, schreibt sie in ihrer Bewerbung.

»Verteilungsfragen stellen«

Den Grünen wirft Held die Beteiligung an Verschärfungen der Asylpolitik in den vergangenen Jahren vor, sie will sich für einen linkeren Kurs einsetzen: »Jetzt ist die Zeit, Verteilungsfragen zu stellen.«

Das gilt auch für Bobga: »Wir können und wir werden diese Partei wieder auf links drehen«, kündigte er an. Er wurde in Münster geboren, lebt jetzt in Köln und saß mehrere Jahre im Stadtrat von Emsdetten. Inzwischen arbeitet er für die Grünen in Nordrhein-Westfalen und ist bereits Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend.

Der Bundestagswahlkampf sei geprägt gewesen von »einer Anbiederung an die CDU und keiner Scheu davor, Migration als Sicherheitsproblem darzustellen«. Bobga, dessen Vater aus Kamerun kommt, sagte: »Unsere Sicherheit ist unverhandelbar.«

Schwieriges Verhältnis zur Partei

Es gelte darum zu kämpfen, »dass diese Partei wieder zurück zu ihren Wurzeln findet«, meint Bobga. Er will sich insbesondere für soziale Fragen, Antirassismus und Vielfalt einsetzen. In seiner Bewerbungsrede forderte er: »Umverteilungsfragen müssen endlich ins Zentrum grüner Politik.«

Das Verhältnis der Grünen-Jugendorganisation zur Partei ist schwierig. Im September vergangenen Jahres kündigte der damalige Vorstand an, aus der Grünen Jugend und der Partei auszutreten. Die Begründung: zu wenig linkes Profil bei den Grünen, zu viele Kompromisse in der Ampelkoalition mit SPD und FDP.

Organisation auf Wachstumskurs

Nietzard, Blasel und ihre Mitstreiter im Vorstand übernahmen eine Organisation in der Krise, dennoch gewannen sie neue Mitglieder. 2023 und 2024 war die Grüne Jugend geschrumpft auf etwas mehr als 16.000 Mitglieder, nun sind es nach eigenen Angaben knapp 19.000.

Vorgängerin Nietzard

Vorgängerin Nietzard


Foto: Michael Kappeler / dpa

Mit Beiträgen in sozialen Medien löste Nietzard allerdings immer wieder Ärger aus. So hatte sie nach Angaben von Nutzenden zu Silvester gepostet: »Männer, die ihre Hand beim Böllern verlieren, können zumindest keine Frauen mehr schlagen.« Der Beitrag wurde nach Kritik gelöscht.

Provozierender Pullover

In einem RBB-Podcast dachte Nietzard laut über bewaffneten Widerstand nach, falls eine Partei wie die AfD an die Macht kommen sollte. Auf ihrem privaten Instagram-Kanal zeigte sie sich mit einem Pullover, auf dem das Kürzel »ACAB« zu lesen war, das für »All Cops Are Bastards« steht.

Mit Blick auf die zweifelhaften Belästigungsvorwürfe gegen den Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar  stellte Nietzard die Unschuldsvermutung infrage. Zuletzt beschimpfte sie den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder als »Hundesohn«.

Vorwürfe gegen Nietzard

Am Freitag berichtete der SPIEGEL , dass das Verhältnis zwischen Blasel und Nietzard zerrüttet gewesen sein soll. Demnach sprachen die beiden angeblich wochenlang nicht miteinander. Blasel wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern, Nietzard schrieb dazu: »Kein Kommentar.«

Zudem berichteten Verantwortungsträger der Organisation davon, dass Nietzard mit Unterstützung eines kleinen Netzwerks andere Mitglieder angeschrien und eingeschüchtert habe. »Menschen, die als Bedrohung für die Macht des Netzwerks wahrgenommen wurden, erlebten Diffamierung«, sagte ein Funktionär dem SPIEGEL.

Die scheidende Bundessprecherin dementierte die Vorwürfe auf Anfrage nicht. »Wenn diese Vorwürfe im Raum stehen, wünsche ich mir, dass diese von einer unabhängigen Ombudsstelle untersucht werden«, schrieb Nietzard. »Wenn ich mich falsch verhalten habe, sollte ich die Konsequenzen tragen.«

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