Filmtiere im Training: In dieser Schule werden Hunde, Schweine und Ratten ausgebildet

Filmtiere im Training: In dieser Schule werden Hunde, Schweine und Ratten ausgebildet

Noch ist Amun ein bisschen zögerlich. Er geht drei Schritte, schnüffelt an der Glasdose, dann schiebt er sie mit der linken Vorderpfote von der Kante des Biertischs. Ein paar Schritte, dann stupst der Kater das zweite Glas an, sodass es vom Tisch fällt. Amun blickt zu Renate Hiltl. Die Tiertrainerin sagt: »Weiter so, gut gemacht.« Noch zwei Gläser, die der Kater vom Tisch auf die darunterliegende Matratze schubsen muss. Doch Amun läuft an ihnen vorbei. »Toll, Amun!«, lobt Renate trotzdem, streichelt den Kater, gibt ihm ein Leckerli und trägt ihn wieder ans Ende der Tischplatte. »Jetzt probieren wir das gleich noch einmal.« Nach ein paar weiteren Versuchen hat Amun einmal das dritte Glas auf den Boden geworfen. »Gut gemacht«, sagt Renate, »morgen machen wir weiter.« Ihr Ziel: Amun soll vier Gläser von einem Tisch schubsen, eines nach dem anderen. Dafür trainieren die Frau und das Tier gemeinsam seit sechs Wochen.

Geduld ist eine der wichtigsten Eigenschaften einer Filmtiertrainerin, vielleicht sogar die wichtigste. Renate Hiltl hat sehr viel davon. Sie leitet eine Schauspielschule für Filmtiere, »Renate’s Film-Tier-Ranch«, nahe Moosburg in Oberbayern. Sie und ihre Trainerinnen bringen Tiere dazu, zähnefletschend Jogger anzufallen, sich in Pullis zu verbeißen, auf den Esstisch zu springen oder auf Kommando das Hinterbein zum Pinkeln zu heben: Hier lernen Vierbeiner genau das, was normale Halter ihnen mühsam abgewöhnen. Was im Alltag nervt, wird beim Film mit Leckerli belohnt. »Wir trainieren die Tiere monatelang, bis wir sie so weit haben, dass sie Wickie durch den Wald jagen, Til Schweiger ärgern oder einfach nur bewegungslos auf einer Straße liegen«, sagt Trainerin Carmen Weiß.

Derzeit leben 42 Tiere auf dem 6000 Quadratmeter großen Trainingsgelände. Ein bunter Zoo aus Hühnern, Kaninchen, Ratten, Schafen, Minischweinen, Katzen und Hunden. »Man muss komplett verrückt nach Tieren sein, um diesen Beruf auszuüben«, sagt Renate, »doch wer meint, dass es reicht, Lust darauf zu haben, mit Tieren zu arbeiten, ist falsch gewickelt. Die Hälfte des Jobs ist Filmwissen – und Menschenkunde.«

Der Star der Serie »Racko – Ein Hund für alle Fälle« wurde hier in der Filmtierschule ausgebildet

Der Star der Serie »Racko – Ein Hund für alle Fälle« wurde hier in der Filmtierschule ausgebildet


Foto: Filmbüro Münchner Freiheit / ARD / BR

Es gibt nur sehr wenige Filmtierschulen in Deutschland. Hierhin wenden sich Regisseure, wenn sie hüpfende Ziegen suchen, maunzende Katzen, freudig bellende Dackel oder Ferkel, die es akzeptieren, in einem Kinderwagen herumgeschoben zu werden.

Renate, Carmen und die anderen Trainerinnen achten beim täglichen Üben darauf, Filmatmosphäre zu schaffen. Sie halten Mikrofone mit flauschigem Windschutz über die Tiere oder tragen große schwarze Kästen herum, die wie Kameras aussehen. Es gibt Regen-, Wind- oder Nebelmaschinen. In der Schule muss alles wie beim echten Filmdreh wirken. »Ein Tier kann den Trick tausendmal im heimischen Wohnzimmer ausgeführt haben, aber wenn wir die Tiere nicht an die Bedingungen am Set gewöhnt haben, wird das Tier das nicht hinbekommen«, sagt Renate. »Da stehen 30 Leute herum, es gibt grelles Licht, Geräusche, Gerüche und viel Unruhe. Jede Minute beim Dreh kostet Hunderte bis Tausende Euro.«

Unzählige Kinder und Jugendliche träumen davon, Fußballprofi zu werden – doch nur die allerwenigsten werden es schaffen. Maxi, 14, darf sich etwas größere Hoffnungen machen als andere. Wie er in der Nachwuchsakademie des FC Bayern für die Erfüllung seines Traums trainiert, steht in der neuen Ausgabe von DEIN SPIEGEL, dem Nachrichten-Magazin für Kinder. Außerdem im Heft: Wie entsteht eigentlich ein Gesetz? DEIN SPIEGEL gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online.

Trainingszeit: Gerade rennt Dante, ein anderthalb Jahre alter deutsch-französischer Schäferhundrüde, in vollem Tempo auf Carmen zu und springt an ihr hoch. »Eine typische Filmsituation«, sagt Renate, die die Szene beobachtet, »danach fragen Regisseure immer wieder.« Carmen hat sich extra eine dicke Jacke angezogen, dass es nicht wehtun kann, wenn Dante sie anspringt. Sobald Dante richtig gut springt, knackt Renate mit einem Knackfrosch und Dante bekommt ein kleines Leckerli. Hört Dante den Ton, weiß er, dass er die Aktion richtig ausgeführt hat. So lernt der Hund, dass das Verhalten, das er gerade gezeigt hat, genauso gewünscht ist. Und er weiß: Nach jedem Knacken bekomme ich eine Belohnung.

Hund Dante springt Trainerin Carmen an. Macht er das gut, knackt Carmen mit einem Knackfrosch – und belohnt Dante mit einem Leckerbissen. Renate hält Kamera- und Mikrofon-Attrappen

Hund Dante springt Trainerin Carmen an. Macht er das gut, knackt Carmen mit einem Knackfrosch – und belohnt Dante mit einem Leckerbissen. Renate hält Kamera- und Mikrofon-Attrappen


Foto: Frank Bauer / DEIN SPIEGEL

Die Tiere von Renates Filmschule sind in vielen Filmen zu sehen. Im »Tatort«, oder bei »Pettersson und Findus«, in »Wickie«, »Lassie« oder »Der Schuh des Manitu«. Im Herbst tritt das Schaf Gretel in »Pumuckl und das große Missverständnis« auf. Viele Werbespots für große Firmen wie Nescafé, BMW, Postbank, Whiskas, C&A oder Coca-Cola kommen dazu. Kater Nils musste zum Beispiel in einer Check24-Werbung mit der Pfote eine Versicherung kündigen.

Dabei sind Katzen richtig schwierige Stars. Es helfe, sagt Carmen Weiß, wenn man vorher viel Zeit am Drehort verbringen könne. »Katzen brauchen Eingewöhnung, sie müssen erst einmal das ganze Filmset abschnüffeln, untersuchen, das Team kennenlernen. Passt etwas nicht zu hundert Prozent, ist es eine Riesenherausforderung, eine Perserkatze dazu zu bringen, zwölfmal nacheinander zu einer Frau aufs Sofa zu springen, sich auf ihren Schoß zu setzen und zu miauen.«

Komplizierter als die Tiere sind für Renates Team manchmal die Menschen. »Wir bekommen jedes Jahr viele Hunderte Zuschriften von Herrchen und Frauchen, die ihr Tier für genial halten«, sagt Renate. »Wir müssen immer neue Tiere anschauen und casten. Wir können nicht Tiere für alle möglichen Drehs auf der Ranch beherbergen.« Ab und zu benötigen Produktionen eben Rentiere, Igel, Frösche, Gämsen, Schlangen, Adler oder besondere Hunde und Katzen. Renate sucht dann die Tiere, trainiert sie und gibt sie nach dem Dreh wieder an die Halterinnen und Halter zurück.

Renate macht ihren Beruf, seit sie 17 Jahre alt ist. »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen«, sagt sie, »ich bin unglaublich stolz, wenn ich meine Tiere Monate oder Jahre später im Kino oder Fernsehen sehe.« Nur eins wurmt sie: Viele Filmpreise sind Darstellungen von Tieren – sie heißen Bambi, Goldener Bär, Goldener Löwe oder Goldene Henne. Dennoch gibt es keinen Preis für den besten Tierdarsteller. Unfair, meint die Trainerin: »Ein Oscar für das beste Filmtier ist mein großer Herzenswunsch.«

Dieser Artikel erschien in DEIN SPIEGEL 11/2025.


Foto: DEIN SPIEGEL

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