Nach einem Gespräch mit König Charles will der britische Prinz Andrew seine Adelstitel ablegen. Den Schritt gab er am Freitag schriftlich bekannt. Die Vorwürfe, die seit Jahren gegen ihn erhoben werden, würden von der Arbeit des Königs ablenken.
»Ich habe entschieden, wie ich es immer getan habe, meine Pflichten gegenüber meiner Familie und meinem Land an erste Stelle zu setzen«, so Prinz Andrew. Seine Entscheidung vor fünf Jahren, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, sei richtig gewesen. Nun müsse er einen Schritt weiter gehen und seine Titel abgeben. Dazu zählt der Herzogstitel von York. Auch seine Ex-Frau Sarah Ferguson verliert dadurch ihren Titel. Ein Prinz bleibt der 65-Jährige jedoch, den Titel trägt er schon seit seiner Geburt. Seine beiden Töchter Beatrice und Eugenie bleiben Prinzessinnen.
Prinz Andrew war in der Vergangenheit aufgrund seiner Nähe zu dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein in Ungnade gefallen. Seine Rolle als offizieller Vertreter des Königshauses, militärischer Ränge und Schirmherrschaften hatte er bereits verloren. Der Prinz war mit dem 2019 in Haft gestorbenen US-Unternehmer befreundet – Epstein hatte über Jahre einen Missbrauchsring betrieben, dem Dutzende junge Frauen und Mädchen zum Opfer gefallen sind.
Zuvor wurden Auszüge aus den posthumen Memoiren von Virginia Giuffre veröffentlicht, dem wohl bekanntesten Opfer im Missbrauchsskandal. Sie hatte dem Prinzen vorgeworfen, sie als Minderjährige missbraucht zu haben.
In Auszügen hatten britische Medien bereits in den vergangenen Tagen über Giuffres Memoiren (»Nobody’s Girl«) berichtet, in denen die Vorwürfe gegen Andrew erneuert werden. Die gebürtige US-Amerikanerin hatte in der Vergangenheit bereits teils vor laufenden Kameras von dem Leid berichtet, das ihr als Jugendlicher und junge Frau angetan worden sein soll.
Der Rechtsstreit zwischen Giuffre und Prinz Andrew wurde 2022 außergerichtlich beigelegt. Ein Bundesgericht in New York traf eine entsprechende Vereinbarung nach der Zahlung einer Entschädigung in unbekannter Höhe. Medienberichten zufolge bekam Giuffre eine Millionensumme.
Fehlendes Mitgefühl für die Opfer
Prinz Andrew entging damit nicht nur einer strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch einem Zivilprozess mit vielen unangenehmen Fragen. Giuffre nahm sich im April dieses Jahres das Leben.
Andrew hatte immer bestritten, Giuffre überhaupt gekannt zu haben. Von beiden existiert jedoch ein Foto, das in Großbritannien mittlerweile sinnbildlich für den Epstein-Skandal steht.
In einem BBC-Interview hatte Andrew versucht, den Verdacht gegen sich zu zerstreuen. Doch das misslang gründlich. Der angebliche Lieblingssohn der Königin verstrickte sich in Widersprüchen und wirkte arrogant. Das Interview wurde später sogar zur Grundlage einer Netflix-Verfilmung. Andrews Beteuerungen, sich nicht an Giuffre zu erinnern, wirken unglaubwürdig.
Vor allem aber war es der Mangel an Mitgefühl gegenüber den Opfern Epsteins , der Andrew zum Verhängnis wurde. Immer wieder war der Prinz in den vergangenen Monaten mit mutmaßlich neuen Beweisen konfrontiert worden, laut derer er sich praktisch nie wirklich von Epstein distanziert habe.