Geflügelpest: Forderung nach bundesweiter Stallpflicht wegen Vogelgrippe

Geflügelpest: Forderung nach bundesweiter Stallpflicht wegen Vogelgrippe

Mehr als 200.000 Tiere mussten wegen der grassierenden Seuche schon getötet werden – und der Höhepunkt des Vogelzugs steht noch bevor. Was bedeutet die Vogelgrippe-Situation für Freilandbetriebe?

Legehennen in Bio-Mobilstallhaltung laufen frei in einem Außengehege eines Bauernhofs, der Bio-Eier anbietet

Legehennen in Bio-Mobilstallhaltung laufen frei in einem Außengehege eines Bauernhofs, der Bio-Eier anbietet


Foto: Christoph Hardt / Panama Pictures / picture alliance

Wegen der raschen Ausbreitung der Vogelgrippe verlangen Geflügelhalter mehr Schutz für ihre Bestände. Es müsse oberste Priorität haben, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, Tiere zu schützen und Schäden abzuwenden, sagte etwa Georg Heitlinger vom baden-württembergischen Landesverband der Geflügelwirtschaft.  Er forderte ein bundesweites Aufstallungsgebot, auch Stallpflicht genannt. Nutztiere wie Geflügel aus Freilandhaltung müssten auf eine solche behördliche Anordnung in geschlossenen Ställen gehalten werden.

Zwar ist die Tierseuche in Deutschland ganzjährig verbreitet, doch mit dem Vogelzug im Herbst steigt die Zahl der Infektionen deutlich an. Am Samstag hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) die ersten Berliner Vogelgrippe-Fälle in der aktuell grassierenden Seuchenwelle bestätigt. Das teilte die Senatsverwaltung für Justiz mit.

Das Landeslabor Berlin-Brandenburg hatte das Virus zuvor bei zwei verendeten Kranichen festgestellt. Nun hat das FLI die Proben der beiden Verdachtsfälle ausgewertet und das Virus nachweisen können. Laut dem Institut breitet sich die Vogelgrippe bei Kranichen in Deutschland derzeit so stark aus wie nie zuvor. (Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Ausbruchsgeschehen.)

Regelmäßig neue Meldungen über Vogelgrippe-Ausbrüche

Das FLI hat die Risikoeinschätzung auf »hoch« angehoben. Die Fachleute schätzen, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den jeweiligen Haltungen getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen.

Die FLI-Mitarbeiter schließen nicht aus, dass das Infektionsgeschehen ähnliche Ausmaße annimmt wie vor vier Jahren. Bei einem der bislang schwersten Seuchenzüge in Deutschland mussten im Winter 2020/21 nach Angaben der Fachpresse bundesweit mehr als zwei Millionen Tiere gekeult werden.

Für das laufende Jahr wurden einer FLI-Sprecherin zufolge bundesweit Infektionsfälle in bislang 50 Nutzgeflügelhaltungen registriert, 26 davon allein im Oktober. Die Spanne der vorsorglich getöteten Tiere reichte von 5000 bis 93.000. Regelmäßig gingen neue Meldungen ein. Und das halte vermutlich noch eine Weile an, da der Höhepunkt des Vogelzugs bevorsteht, sagte sie.

Erkrankte Wildvögel, die auf dem Weg in die Winterquartiere im Süden Rast machen, gelten als Überträger der Geflügelpest. Die Tierseuche endet für infizierte Tiere oft tödlich. In diesem Jahr seien Kraniche besonders stark betroffen, aber auch bei anderen Arten wie Wildgänsen und -enten sei das hochansteckende Virus vom Typ H5N1 bestätigt worden, hieß es.

Agrarministerium für höhere Entschädigungszahlungen

Wird nach einem Geflügelpest-Ausbruch die Tötung von Tieren angeordnet, erhalten die Besitzer eine Entschädigung, die nach Tierart gestaffelt ist und laut Gesetz den Höchstsatz von aktuell 50 Euro nicht überschreiten darf.

Im Handel erzielen Enten oder Puten oft deutlich höhere Preise. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat daher bei der EU beantragt, die Obergrenze von Entschädigungszahlungen für Tiere, die getötet werden müssen, von 50 auf bis zu 110 Euro hochzusetzen. In der Regel ist der Marktwert Grundlage für Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse.

Bio-Geflügelzucht: Infektionsfälle in bislang 50 Nutzgeflügelhaltungen

Bio-Geflügelzucht: Infektionsfälle in bislang 50 Nutzgeflügelhaltungen


Foto: Wolfgang Filser / SZ Photo / picture alliance

Die Einzelbestimmungen für Kompensationsleistungen sind je nach Bundesland unterschiedlich. Erstattet werden unter Umständen auch Ausgaben für zusätzliche Hygienemaßnahmen. Keine Entschädigung gibt es aber für Folgeschäden, etwa Strafen für nicht erfüllte Lieferverträge.

»Zu große Ställe mit zu hoher Besatzdichte«

Aus Sicht der Grünen im Bundestag zeigt die Vogelgrippe, wie anfällig die Massentierhaltung ist. »Dass die Ausbreitung der Vogelgrippe für viele Geflügelbetriebe eine so große wirtschaftliche Gefahr bedeutet, weist auf ein grundsätzliches, strukturelles Problem hin: zu große Ställe mit zu hoher Besatzdichte«, sagte Zoe Mayer, Sprecherin für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat und Tierschutzbeauftragte.

Zurzeit leben oft Zehntausende Tiere dicht gedrängt, bei einer Seuche müssten dann sehr viele auf einmal getötet werden. »Dieses Problem löst man nicht mit höheren Entschädigungssätzen auf Kosten der Steuerzahler«, sagte Mayer. »Stattdessen sollte die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit weniger Tiere besser gehalten werden können.«

Ein Helfer sammelt einen toten Kranich auf und wirft ihn in eine Traktorschaufel

Ein Helfer sammelt einen toten Kranich auf und wirft ihn in eine Traktorschaufel


Foto: Christophe Gateau / dpa / picture alliance

Davon unabhängig unterstützten die Grünen in der jetzigen Situation ein koordiniertes und zielgerichtetes Vorgehen von Bund und Ländern, um die Verbreitung der Vogelgrippe einzudämmen.

Kranichsterben in Ostprignitz dauert an

Das Kranichsterben im Nordwesten des Landes Brandenburg infolge des Vogelgrippevirus geht unvermindert weiter. Es werde davon ausgegangen, dass inzwischen etwa 1200 Tiere verendet seien, sagte der Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin, Rald Reinhardt (SPD), im RBB-Inforadio. »Es ist bedrückend. Die Ehrenamtler, wenn man mit ihnen spricht, sind tatsächlich aufgewühlt.« Die Kadaver aufzusammeln, führe nicht nur zu körperlicher Erschöpfung, sondern sei auch eine psychische Belastung.

Weiterlesen

Weitere Nachrichten