Polizisten am Kölner Hauptbahnhof
Foto:
Christoph Hardt / Panama Pictures / IMAGO
Polizisten am Kölner Hauptbahnhof
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Ein Sonntagvormittag im Oktober am Hauptbahnhof Hannover, Bahnsteig 3/4: Auf einem Video sind viele, teils maskierte Männer zu sehen, einige tragen grüne Schals, die sich drohend gebärden, sich prügeln, mit Pylonen und Kunststoffabsperrgittern bewerfen, bis behelmte Bundespolizisten auftauchen und die Gruppen sich voneinander entfernen.
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Eine Woche später am Kölner Hauptbahnhof: Ein wackliges Video zeigt einige Männer, die einen Aufgang hinunterlaufen, einige haben blaue Masken oder blaue Shirts vor dem Gesicht, ein Mann schreit immer »Pfeffer, Pfeffer«, als offenbar Pfefferspray auf einige Beteiligte gesprüht wird. Polizisten versuchen, die Gruppen auseinanderzuhalten, doch es kommt weiter zu Prügeleien, teils auf dem Boden.
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Auch die Fanszene meldete sich zu Wort. Dort werden nicht die Prügeleien verteidigt, wohl aber die folgenden Maßnahmen der Polizei kritisiert. Die St.-Pauli-Fans, die auf dem Weg nach Frankfurt waren und die Wolfsburger, die beim HSV spielten, wurden an den Zielorten festgehalten und erkennungsdienstlich überprüft. Danach wurden teilweise Platzverweise ausgesprochen. Laut Polizei durften 250 Wolfsburger nicht ins Stadion, in Frankfurt betraf es demnach 270 St.-Pauli-Fans.
»Die ausgestellten Platzverweise betrafen pauschal alle St.-Pauli-Fans, darunter auch Fans, die in Hannover nicht im betroffenen Zug gesessen hatten. Zudem war keiner der Platzverweise individualisiert«, schrieb die Braun-Weisse Hilfe , eine Fanorganisation der Hamburger. Auch der FC St. Pauli nannte den Einsatz »zumindest fragwürdig«.
Die spektakulären Fälle wie in Köln und Hannover bieten für die Deutsche Bahn jedoch noch keinen Grund zur übermäßigen Beunruhigung. Einen Trend sieht man nicht: An jedem Fußballwochenende befördert die Deutsche Bahn laut eigener Aussage bis zu 100.000 Fußballfans in den Zügen des Nah- und Fernverkehrs. Aufsehenerregende Fälle, wie der der Sängerin Mine, die von einem Hertha-Fan im Zug beleidigt wurde, laufen unter Einzelfällen.
Fast alle Zugfahrten würden ohne Probleme verlaufen, »und der überwiegende Teil der Fußballfans verhält sich positiv in Vorfreude auf die Spiele«. Auch die Bundespolizei nennt auf SPIEGEL-Anfrage Zahlen: In der vergangenen Saison hätten 4,5 Millionen Fans die Angebote der Eisenbahnverkehrsunternehmen genutzt. »Die Bahn ist insbesondere für die Fanszenen im Fußball ein attraktives Reisemittel«, teilt ein Sprecher mit.
Laut Bundespolizei wurden in der Spielzeit 2023/2024 1500 Straftaten im Zusammenhang mit Reisen von Fußballfans festgestellt, darunter 600 Gewaltdelikte. »Treten einzelne Fans oder Fangruppen wiederkehrend durch Störungen oder durch die Begehung von Straftaten in Erscheinung, begegnet die Bundespolizei diesen Gruppierungen oder Einzelpersonen neben der Einleitung entsprechender Strafermittlungsverfahren mit der gezielten Intensivierung – insbesondere gefahrenabwehrender – polizeilicher Maßnahmen«, heißt es.
»Probleme mit Fußballfans in Bahnen sind ein Phänomen, das wir schon länger beobachten. Das Transportmittel ist sehr anfällig für das unkontrollierte Aufeinandertreffen gegnerischer Fangruppen.«
Harald Lange, Fanforscher
Zu den Maßnahmen gehören laut Bundespolizei Gefährderansprachen, die Bahn könne zudem Beförderungsausschlüsse aussprechen. Welche Vereine vor allem in Erscheinung treten, konnte die Bundespolizei nicht sagen. Der Grund: Ein objektives Bild sei nicht möglich, da Faktoren wie die Gesamtreisendenzahlen, die Häufigkeit der Nutzung des Reisemittels Bahn, die gruppendynamische Emotionalisierung der Anhängerschaft aufgrund sportlichen (Miss-)Erfolgs berücksichtigt werden müssten.
»Probleme mit Fußballfans in Bahnen sind ein Phänomen, das wir schon länger beobachten. Das Transportmittel ist sehr anfällig für das unkontrollierte Aufeinandertreffen gegnerischer Fangruppen«, sagt Fanforscher Harald Lange von der Universität Würzburg. »In Zusammenhang mit Alkohol und einem besonderen Gruppengefühl entsteht dann eine Stimmung nach dem Motto: Wir können machen, was wir wollen.« Das könne sich dann schnell hochschaukeln und zu Vandalismus oder Gewalt führen.
Dennoch attestiert Lange der Bahn angesichts der Vielzahl der Reisenden einen guten Job: »Jeder Vorfall ist einer zu viel, aber in Relation zu den vielen Fußballreisenden ist die Anzahl doch klein. Zumal sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Auswärtsfahrer stark erhöht hat.« Da spiele dann einfach auch der Zufall eine Rolle – dasselbe gelte auch für Fanbusse, die auf Rastplätzen aufeinandertreffen.
Die Bahn beziffert die Kosten innerhalb der Züge durch »die Minderheit einzelner gewaltbereiter Störer:innen« auf etwa zwei Millionen Euro jährlich, heißt es. Dabei geht es vor allem um: Beseitigung von Verschmutzungen, Verwüstungen und Vandalismus und den Einsatz von zusätzlichen Sicherheitskräften. »Außerdem entstehen Folgekosten durch Zugausfälle und Verspätungen, wenn Züge durch das Verhalten von Randalierern aufgehalten werden oder wenn beschädigte Fahrzeuge repariert werden müssen und nicht einsatzfähig sind.«
Die häufigsten Vandalismusschäden in den Regionalzügen machen Graffitis, Schmierereien und Aufkleber sowie Sachbeschädigungen am Inventar der Züge wie etwa herausgetretene Scheiben und aufgeschlitzte Sitze aus. Oftmals werden auch Mittel der Notfallvorsorge, also Feuerlöscher, Notbremsen, Notrufe, missbraucht sowie Züge generell vermüllt und verunreinigt. Wenn der Vandalismus zu gravierend ist, fallen die Züge dann für mehrere Tage bis sogar Wochen aus – zum Leidwesen der Pendler.
Um das Aufeinandertreffen rivalisierender Fangruppen – wie in den aktuellen Fällen geschehen – zu verhindern, verständige sich die Bahn normalerweise vor Spielen mit der Polizei, »um Anreiseströme rivalisierender Fans zu entflechten« und so weit wie möglich zu verhindern, »dass Fahrgäste ›normaler‹ Züge von den reisenden Fußballfans gestört werden«. Dabei setze man auf das frühzeitige Planen der Reiseströme in Abstimmung mit den Vereinen, Fanorganisationen und der Polizei.
Im Fall des Kölner Hauptbahnhofs hatte das nicht funktioniert. Laut Polizei zog ein Schalker Fan die Notbremse, als er den Zug mit Dortmundern entdeckte. »Ob die Fangruppen sich zu der Schlägerei in Köln verabredet hatten, ist uns nicht bekannt«, sagte die Sprecherin der Bundespolizei dem WDR . Die Polizeipräsidenten von Gelsenkirchen und Dortmund nahmen die Vereine in die Pflicht und forderten ein härteres Vorgehen gegen gewaltbereite Fans.
Die Deutsche Bahn sagt: »Konflikte entstehen meist durch die Begegnung von Fangruppierungen. Wenn das Verkehrsmanagement für ein Spiel steht, werden Reiseempfehlungen, eventuelle Sonderzüge und auch Wege vom Bahnhof zum Stadion an die Fans kommuniziert«, heißt es. Der Bahnbetrieb soll so gesteuert werden, dass an einem Umsteigebahnhof zum Spielort nicht Züge mit Fans beider Lager zeitgleich eintreffen. »Mitunter ist das mit Verspätungen für den fahrplanmäßigen Zugbetrieb verbunden – dafür gibt es weniger Beeinträchtigungen durch große Polizeieinsätze«, so die Bahn.
Zwar arbeite man immer mehr mit Vereinen und Verbänden zusammen, doch es gibt aus Sicht der Bahn noch Verbesserungsmöglichkeiten: Das Thema bleibe schwierig, »weil noch lange nicht alle Vereine die Notwendigkeit dafür erkannt haben«. Das Unternehmen wünscht sich, »dass Vereine und Fanorganisationen sich mehr darum kümmern, Fananreisen per Bahn durch die Bestellung von Extrazügen zu realisieren.«
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