Transfermarkt-Interview

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Enzo Leopold ist seit Sommer Kapitän von Hannover 96. Transfermarkt traf den Mittelfeld-Motor der Niedersachsen in der Länderspielpause zum Gespräch über seine neue Rolle am Maschsee, eine erste Zwischenbilanz nach dem großen Umbruch im vergangenen Sommer und sein nahendes Zweitliga-Jubiläum im Trikot der Roten. Der 25-Jährige spricht zudem über den Traum von der Bundesliga und seinen auslaufenden Vertrag.
Transfermarkt: Enzo, Ihr befindet euch noch mitten in den Wochen der Wahrheit der Hinrunde. Das Derby konnte siegreich gestaltet werden, in Elversberg hatte man allerdings Pech, gegen Schalke und Darmstadt musste man sich auch an die eigene Nase fassen. Wie ist vor den Partien in Paderborn und gegen den KSC die Stimmung im Team?
Enzo Leopold: Nach wie vor gut. Wir haben ein sehr cooles Klima in der Kabine und das ist in meinen Augen auch die Basis, um erfolgreich zu sein. Trotzdem waren die ersten Tage nach der Darmstadt-Niederlage nicht ganz leicht. Wir haben das Spiel sehr intensiv und kritisch analysiert, weil es uns auch im Nachhinein unheimlich genervt und beschäftigt hat. Wir müssen den Sack mit unseren vielen Chancen eigentlich schon in der ersten Halbzeit zumachen, in der zweiten Hälfte machen wir es dem Gegner dann vor allem in ein paar Momenten defensiv zu leicht und geben die Kontrolle ab. So haben wir das Spiel vom Gefühl her unnötig aus der Hand gegeben und natürlich tut das weh.
Transfermarkt: Die Mannschaft schien in den ersten Wochen der Saison enorm gefestigt und stabil. Zuletzt lief es wieder etwas holpriger. Woran lag‘s?
Leopold: Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man berücksichtigt, dass wir uns als Mannschaft im Sommer neu aufgestellt haben. Es ist ganz normal, dass ein Umbruch im Kader und eine neue Spielidee Zeit brauchen, um sich zu festigen. Trotzdem wollen wir als Mannschaft natürlich erfolgreich sein. Dennoch ist wichtig, dass wir auch geduldig bleiben – die Entwicklung ist definitiv da und immer noch im Gange, wenn man sich unsere Spiele im Detail anschaut. Es kann nicht alles sofort funktionieren, aber der nächste Schritt sollte sein, wieder über die kompletten 90 Minuten das abzurufen, was uns stark macht.

Transfermarkt: Es haperte zuletzt vor allen an der Chancenverwertung …
Leopold: Wir erspielen uns so viele Möglichkeiten wie kaum eine andere Mannschaft in der Liga, die Ergebnisse waren daher unterm Strich oft bitter. Es gehört dann auch dazu, dass man sich mit Toren belohnt, defensiv stabil steht und man so die Spiele gewinnt. Ich bin aber überzeugt davon, dass das wieder mehr passieren wird, solange wir ruhig und überzeugt bleiben und konstant an unserem Plan festhalten – dann werden wir solche Spiele wie zuletzt gegen Darmstadt auch wieder auf unsere Seite ziehen.
Transfermarkt: Das eigene Stadion war letzte Saison lange eine Festung. In der Heimtabelle belegt 96 aktuell nur Platz elf. Warum lief es zuhause zuletzt nicht mehr so erfolgreich?
Leopold: Ich würde das nicht an konkreten Gründen festmachen. Der Support zuhause ist, wie auch auswärts, unfassbar – das ist ein Teil der Basis und die haben wir. Natürlich möchten wir das den Fans auch so schnell wie möglich wieder mit konstant positiven Ergebnissen zurückzahlen.
Transfermarkt: Würdest Du sagen, es könnte auch mit im Zuge der anfänglichen Euphorie gewachsenem Druck zu tun haben? Die Erwartungshaltung in Hannover ist schnell hoch …
Leopold: Nein, das ist kein Thema. Zuletzt haben wir es über 90 Minuten nicht immer konsequent gespielt, was zu den Resultaten führte. Aber wie gesagt: Darüber hinaus sehe ich keine konkreten Faktoren.
Leopold: „Ehre, dass ich 96 als Kapitän in dieser Saison anführen darf“
Transfermarkt: In der Auswärtstabelle ist 96 hingegen Zweiter – hinter dem SC Paderborn. Ausgerechnet bei den Ostwestfalen hat man noch nie in der 2. Bundesliga einen Punkt geholt, fünf Niederlagen stehen zu Buche. Warum läuft es am Samstag anders?
Leopold: Wir wissen, dass Paderborn eine sehr gute Mannschaft ist, die gerade einen positiven Lauf hat. Wir kennen ihre Stärken, aber glauben auch zu wissen, wo man bei ihnen ansetzen kann. Wir hatten in der Länderspielpause sehr gute Trainingstage – die Jungs sind heiß und ich bin davon überzeugt, dass wir in Paderborn diesmal etwas mitnehmen können. Der Fokus liegt darauf, unser Spiel auf den Platz zu bringen und dominant zu sein. Wir wollen uns die Chancen erarbeiten und nutzen.
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Transfermarkt: Mit Karlsruhe wartet danach ein weiterer Gegner aus dem erweiterten Kreis der Aufstiegsaspiranten, ehe es mit Münster, Bochum und Nürnberg nach hinten raus nochmal gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte geht. Was muss passieren, damit ihr an Weihnachten von einer gelungenen Hinrunde sprechen könnt?
Leopold: Wir sind von Natur aus ehrgeizig – deswegen am besten natürlich, dass wir die maximale Anzahl an Punkten aus diesen Spielen holen. (lacht) Grundlage dafür ist aber auch, dass wir auch defensiv wieder die Stabilität reinbekommen, die wir in den ersten Spielen an den Tag gelegt haben. Und, dass wir effizienter in der Chancenverwertung werden. Wenn dahingehend die Entwicklung in den verbleibenden Partien positiv verläuft, dann sind das in meinen Augen die Hauptfaktoren, um Ende Dezember ein positives Fazit ziehen zu können.

96-Kapitän Enzo Leopold feierte Ende Oktober mit seinen Teamkollegen den Derbysieg in Braunschweig
Transfermarkt: Bleiben wir beim KSC-Spiel: Das ist zugleich Dein 100. Zweitligaspiel im Trikot von Hannover 96. Was bedeutet Dir diese Marke?
Leopold: Sehr viel. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich hier die Möglichkeit bekommen habe, auf Top-Level regelmäßig zu spielen. 96 ist ein Klub, der mir sehr am Herzen liegt und immer hinter mir stand und steht. Dafür bin ich wie gesagt sehr dankbar und auch stolz darauf, dass ich diese Marke mit und für Hannover erreicht habe.
Transfermarkt: Du bist seit zweieinhalb Spielzeiten 96-Dauerbrenner, hast Dich nach dem ersten Jahr in der Startelf festgebissen und kaum eine Partie verpasst. Wie würdest Du die Entwicklung Deines Stellenwertes im Team beschreiben?
Leopold: Ich bin damals mit starker Konkurrenz auf meiner Position, die vielleicht auch die Nase ein bisschen vorne hatte in diesem Moment, in die zweite Saison gegangen. Ich habe aber früh meine Chance bekommen und konnte sie glücklicherweise nutzen. Von da an habe ich mir meinen Platz innerhalb der Mannschaft und des Vereins Jahr für Jahr weiter erarbeitet. Für mich ist es etwas ganz Besonderes und eine Ehre, dass ich Hannover 96 als Kapitän in dieser Saison anführen darf.
Transfermarkt: Welche Herausforderungen bringt es mit sich, Kapitän einer komplett neu zusammengestellten Mannschaft zu sein?
Leopold: Insgesamt bringt das Amt natürlich mehr Verantwortung mit sich, die ich aber sehr gerne annehme. Ich versuche, ein Anker für die Jungs zu sein und das Team auf dem Platz zu pushen. Viele Spieler, die im Sommer gekommen sind, kannten die Abläufe im Verein und die Stadt nicht, die muss man natürlich auch abseits des Rasens ein Stück weit an die Hand nehmen und eine positive Eingewöhnung unterstützen. Das haben wir auch als Gruppe großartig aufgefangen. Es macht mir auch deshalb einfach Spaß, dieses Amt zu bekleiden, weil wir innerhalb kürzester Zeit zu einem Team zusammengewachsen sind, in dem alle füreinander einstehen und sich jeder auf den anderen verlassen kann. Das erlebt man in dieser Form auch nicht alle Tage.

Der heutige Kapitän Enzo Leopold Spielte sich 2023 bei den Roten in den Mittelpunkt
Transfermarkt: Wie wirkt sich das Amt auch auf Deinen Austausch mit dem Trainer aus und wie ist generell Dein Verhältnis zu Christian Titz?
Leopold: Der Trainer und ich tauschen uns auf und neben dem Platz viel aus. Ich würde unser Verhältnis als sehr gut beschreiben. Ich schätze ihn sehr als Menschen, aber auch die Art und Weise, wie er Fußball spielen will. Die kommt mir und meiner Spielweise zudem sehr gut entgegen. (lacht)
Transfermarkt: In unserem letzten Gespräch vor exakt zwei Jahren sagtest Du: „Ich gebe mich nicht zufrieden mit dem, was jetzt gerade ist – es geht immer weiter, man kann immer noch besser sein.“ Wie bewertest Du Deine persönliche fußballerische Entwicklung seither?
Leopold: In den letzten zwei Jahren habe ich mit Blick auf meine Leistungen sehr viel an meiner Konstanz gearbeitet, die mit steigender Erfahrung und Spielpraxis auch immer besser geworden ist. Es gibt phasenabhängig immer wieder Schwerpunkte, die man sich in Sachen Entwicklung setzt. Die Standards waren zum Beispiel ein sehr großes Thema für mich, an dem ich dauerhaft gearbeitet habe. Letztlich ist es aber immer auch ein Stück weit vom Spielsystem abhängig, welche neuen Aufgaben und Ziele man sich setzt.
Transfermarkt: Kannst Du das genauer ausführen?
Leopold: Wenn man die Spiele vom letzten Jahr mit denen in dieser Saison vergleicht, ist auffällig, dass wir noch dominanter sind, mehr Kontrolle und Zugriff haben. Wir sind fußballerisch, zum Beispiel im Spielaufbau, beim ersten Kontakt, bei den technischen Attributen und auch physisch auf einem sehr guten Level. Das ist sicherlich auch ein Faktor, der mich stetig begleitet und an dem ich beständig arbeite, weil es da immer Luft nach oben gibt.
96-Kapitän Leopold: „Bin extrem überzeugt von diesem Kader“
Transfermarkt: Mit dem Umbruch hat sich auch der Konkurrenzkampf auf Deiner Position verändert. Wie gehst Du damit um?
Leopold: Der Konkurrenzkampf ist durch die vielen Neuzugänge in diesem Jahr auf jeder Position nochmal gewachsen. Aber das gehört im Profi-Fußball einfach dazu und man muss damit umgehen können. Am Ende geht es da um den Erfolg als Mannschaft. Ich versuche einfach, in jeder Einheit und in jedem Spiel mein Bestes auf dem Platz zu lassen.
Transfermarkt: Wie bewertest Du die Qualität des Kaders allgemein?
Leopold: Ich bin extrem überzeugt von diesem Kader. Wir haben individuell eine sehr hohe Qualität und können das auch als Mannschaft abrufen und umsetzen. Wir haben das auch schon gezeigt, aber wollen wieder konstanter werden. Wenn uns das gelingt, kann es für uns eine sehr erfolgreiche Saison werden, was auch immer das am Ende bedeutet.

Auch 2026 noch tonangebend bei Hannover 96? Enzo Leopolds Vertrag läuft aus.
Transfermarkt: Im Sommer läuft Dein Vertrag am Maschsee aus – gibt oder gab es schon Gespräche mit dem Verein?
Leopold: Ja, wir sind immer in engem Austausch, wie auch schon über die gesamte Zeit, die ich jetzt hier bin. Ich mache mir dahingehend zum jetzigen Zeitpunkt keinen Kopf. Mein Fokus liegt auf der Saison mit dieser Mannschaft. Natürlich habe ich als Sportler immer auch persönlich Ziele, die ich erreichen möchte. Aber über alles, was über das reine Sportliche mit dem Team hinausgeht, werde ich zu gegebener Zeit nachdenken, jetzt noch nicht.
Transfermarkt: Anders gefragt: Du machst auch die 200 Pflichtspiele bei Hannover 96 voll, weil …?
Leopold: (lacht) Das ist sicherlich ein sehr schöner Gedanke, aber wie gesagt: Für mich zählt derzeit das sportliche Tagesgeschäft und der Erfolg mit der Mannschaft.
Transfermarkt: Hannover 96 und Du – das passt einfach, weil …?
Leopold: Ich bin jetzt im vierten Jahr hier und fühle mich unfassbar wohl. Ich kenne die Mannschaft, den Klub, die Stadt, viele Fans – es macht mir einfach sehr viel Spaß, hier Fußball zu spielen.
Transfermarkt: Eine Frage aus unserer Community vom TM-User „HappyV“: Was wäre dir persönlich lieber: der Aufstieg mit Hannover 96 oder eine Berufung in die Nationalmannschaft?
Leopold: (lacht) Ich glaube, das würde ich tatsächlich auf eine Ebene stellen. Beides wären absolute Highlights für eine Fußballer-Karriere, sollte es irgendwann mal eintreten.
Transfermarkt: Passend dazu abschließend: Wo siehst Du Dich als Fußballer in den nächsten drei bis fünf Jahren?
Leopold: Wie bei jedem Fußballprofi ist es irgendwo mein Traum, in meiner Karriere mal auf höchstem Niveau zu spielen. In Deutschland in diesem Fall in der Bundesliga – schön wäre es natürlich mit 96. Aber all das passiert Step-by-step.
Interview: Thomas Deterding


