Interstellarer Besucher
Komet 3I/Atlas nähert sich der Sonne
Erstmals seit Jahren kommt der Erde wieder ein Komet aus einem fernen Sternensystem nahe. 3I/Atlas rast mit atemberaubender Geschwindigkeit Richtung Sonne – und liefert der Forschung seltene Einblicke.
Foto: Dr. Sebastian Voltmer / Voltmer / dpa
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Er kommt aus den Tiefen der Milchstraße, ist uralt und jagt mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit durch das Sonnensystem: Der Komet 3I/Atlas hat sich der Sonne angenähert und passiert in den kommenden Wochen die innere Region unseres Planetensystems. Für Astronominnen und Astronomen ist der kosmische Besucher ein besonderes Objekt — denn 3I/Atlas stammt aus einem fremden Sonnensystem. Es ist erst das dritte Mal, dass ein sogenannter interstellarer Komet für Erdenbewohner sichtbar ist, nach Oumuamua im Jahr 2017 und Borisov zwei Jahre später.
Entdeckt wurde 3I/Atlas Anfang Juli mit dem Atlas-Teleskop im chilenischen Río Hurtado . Anders als seine Vorgänger ist er deutlich größer: Laut dem US-amerikanischen Astronomiezentrum NOIRLab dürfte sein Durchmesser rund 20 Kilometer betragen. Seine genaue Herkunft ist nicht eindeutig geklärt, vermutlich bewegt er sich bereits mehrere Milliarden Jahre durch die Galaxie und stammt aus der sogenannten dicken Scheibe, einem aus älteren Sternen bestehenden Strukturelement der Milchstraße, wie es bei der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa heißt. Forschende der Universität Oxford schätzen das Alter des Kometen auf rund sieben Milliarden Jahre, also älter als unser gesamtes Sonnensystem.
Seitenansicht der Milchstraße und die geschätzte Umlaufbahnen der Sonne und des Kometen 3I/ATLAS: Letzterer ist mit roten gestrichelten Linien, die Sonne mit gelben gepunkteten Linien dargestellt.
Foto: M. Hopkins / Ōtautahi-Oxford Team / dpa
Besonders bemerkenswert ist seine Geschwindigkeit: 3I/Atlas bewegt sich mit etwa 250.000 Kilometern pro Stunde – schneller als jeder andere bislang beobachtete Komet. Zum Vergleich: Die Erde fliegt auf ihrer Bahn um die Sonne mit rund 100.000 Kilometern pro Stunde. Am 19. Dezember wird der Komet der Sonne am nächsten kommen, allerdings auf der gegenüberliegenden Seite des Sonnensystems – in sicherer Distanz zur Erde, rund 270 Millionen Kilometer entfernt. Eine Gefahr besteht nach Angaben der ESA nicht.
Die Beobachtung des Kometen ist jedoch schwierig. Mit bloßem Auge ist 3I/Atlas nicht zu erkennen, auch ein Fernglas reicht nicht aus. Selbst erfahrene Hobbyastronomen benötigen größere Teleskope und einen stockdunklen Himmel fernab von Städten. Der Komet ist derzeit kurz vor Sonnenaufgang tief im Osten zu sehen, dürfte aber an Helligkeit verlieren, je weiter er sich fortbewegt. Sternwarten planen daher spezielle Beobachtungsnächte, um das seltene Objekt zu verfolgen.
Für die Wissenschaft bietet 3I/Atlas dennoch wertvolle Einblicke. Interstellare Kometen gelten als Boten aus längst vergangenen Welten und tragen Material, das Aufschluss über die Entstehung anderer Planetensysteme geben könnte. »Diese Objekte kommen aus Regionen der Galaxie, die wir sonst nie aus der Nähe sehen«, erklärt der Astrophysiker Chris Lintott. »3I/Atlas ist ein Objekt aus einem Teil der Galaxie, den wir noch nie aus der Nähe gesehen haben.«
Wie häufig solche Besucher tatsächlich in unser Sonnensystem eindringen, bleibt ungewiss. Manche Forscher vermuten, dass bereits mehrere interstellare Kometen beobachtet wurden, ohne dass sie als solche erkannt worden sind.



