Mark Rudan „war am Ende“: Alemannia Aachens „Geldkoffer-Affäre“

Mark Rudan „war am Ende“: Alemannia Aachens „Geldkoffer-Affäre“

Spieler „war am Ende“ 

Mark Rudan „war am Ende“: Alemannia Aachens „Geldkoffer-Affäre“

©IMAGO

Transferverhandlungen können zäh, langwierig und voller Stolpersteine sein. Profis wollen ihren Wechsel zu ihrem Wunschklub mitunter erzwingen und nehmen dafür reichlich Ärger mit ihrem aktuellen Arbeitgeber in Kauf, verspielen Kredit bei den Fans oder sorgen bei ihren Vorgesetzten für Verwunderung. Transfermarkt blickt auf Transfers der Vergangenheit, die von lauten Nebengeräuschen geprägt waren. Diesmal: Alemannia Aachens Neuzugang Mark Rudan und der ominöse Geldkoffer.

Dieser Artikel erschien bei Transfermarkt erstmals am 01.11.2025.

Mark Rudan lief zwischen Januar und Dezember 2001 15-mal für Alemannia Aachen auf. In die Geschichte des heutigen Drittligisten ging der Innenverteidiger allerdings nicht aus sportlichen Gründen ein. Der inzwischen als Cheftrainer arbeitende Australier sagte über dieses Kapitel 2019 im Podcast „FTBL“: „Das ist ein Teil meines Lebens, der mich als Mensch verändert hat.“ Zu tun hat das Ganze mit einem vermeintlich ablösefreien Zweitliga-Transfer, Scheinrechnungen für eine erfundene Ablösesumme und Gefängnisaufenthalten. Oder kurz gesagt: die „Geldkoffer-Affäre“. Aber der Reihe nach.

Rudan verließ Anfang 2001 Northern Spirit in Sydney, um sich – zum Nulltarif – Alemannia Aachen anzuschließen. Schließlich war sein Vertrag ausgelaufen, was ihm einen ablösefreien Transfer ermöglichte. Eigentlich. Rudan gefiel in der Aachener Mannschaft, schaffte es sofort in die Zweitliga-Startelf. So weit, so gut. Bis Borussia Mönchengladbach am 24. Februar 2001 Rudan und seine Teamkollegen mit 6:1 vom Platz fegte. Der damals 25-Jährige flog nach einer halben Stunde mit Gelb-Rot vom Platz, hatte sich gegenüber den Zuschauern nicht im Griff und zeigte den Mittelfinger. 10.000 Mark Strafe soll der DFB verhängt haben. Doch das war fortan nicht Rudans größtes Problem. Die Lokalzeitungen berichteten nicht nur über seinen Aussetzer, sondern deckten eine höchst brisante Geschichte auf.

„Ich bat einen Teamkollegen, mir den Artikel zu übersetzen, und er sagte, sie nannten mich den 600.000-Mark-Mann … Und ich fragte: ‚Was soll das heißen?‘ Er sagte: ‚Nun, das ist die Ablösesumme für deinen Transfer‘“, erinnerte sich der Ex-Verteidiger. In diesem Moment habe er gedacht: „‚Moment mal, ich bin doch ablösefrei!‘ Ich rief meinen Berater an, und er sagte: ‚Mach dir keine Sorgen.‘ Aber da schrillten bei mir die Alarmglocken.“

Bei den Transfers der australischen Spieler Rudan und Goran Lozanovski, den Alemannia im Sommer 2001 von South Melbourne verpflichtet hatte, verschwanden in Summe 590.000 Mark im Nirgendwo – 290.000 Mark waren es mit Blick auf Rudan. Spielerberater und ein Klubfunktionär machten sich die Taschen voll, hieß es. Mit einer Summe, die eigentlich als Transferentschädigung an Northern Spirit fließen sollte. Nur war von diesem Geld keine Spur. „Eine obskure Affäre sorgt für Aufregung beim Fußball-Zweitligisten Alemannia Aachen“, schrieb der „Spiegel“ am 6. November 2001. „Wo sind die 290.000 Mark?“, fragte der „Kicker“ zwei Tage später. Was den Klubvorstand dazu veranlasste, eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, „dass keine Gelder an ihn oder ihm nahestehende Personen geflossen“ seien.

Alemannia Aachen und der ominöse Manager Bill Collins

Was war passiert? Die Bosse des deutschen Klubs sollen die Transfersumme in einem Geldkoffer auf der Geschäftsstelle an einen Mann namens Bill Collins überreicht haben, den sie für den Manager von Northen Spirit hielten. Dumm nur, dass ebenjener Betrag nie den Weg nach Sydney fand. „Wir gehen davon aus, dass es einen Bill Collins nicht gibt“, hielt Oberstaatsanwalt Robert Deller fest. Dabei hatte Alemannias involvierter Schatzmeister Bernd Krings behauptet: „Ich bin davon ausgegangen, dass es sich bei dem Australier um den Northern-Manager Bill Collins gehandelt hat.“ Nun ja.

Wir wissen nicht, wer das Geld erhalten hat.

„Wir waren schockiert, als wir jetzt aus Sydney gehört haben, dass das Geld dort nicht angekommen ist“, erklärte Aachen-Präsident Hans Bay. Gemeinsam mit seinen Präsidiumskollegen Manfred Grandt (Vize) und Krings ließ er die Arbeit mit sofortiger Wirkung ruhen, weil der Verwaltungsrat des Vereins bei der Aachener Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt hatte. „Wir wissen nicht, wer das Geld erhalten hat“, teilte der Verwaltungsrats-Vorsitzende und Oberbürgermeister, Jürgen Linden, mit, nachdem zunächst „keine Unregelmäßigkeiten“ erkannt worden waren.

Währenddessen stand bei Rudan eines Morgens um 6 Uhr die Polizei vor der Tür. Seine Erzählung aus dem Jahr 2019 geht so: Er habe erst vermutet, Lozanovski, den Alemannia im Sommer 2001 von South Melbourne verpflichtet hatte, kam wie viele Male zuvor vorbei, um sich bei ihm zu bedienen. „Aber es waren drei Polizisten, die hereinstürmten. Das war ganz schön beängstigend. Sie haben alle meine Schränke nach Beweismitteln durchsucht und mich für die Nacht direkt in die Zelle des örtlichen Gefängnisses gebracht.“ Untersuchungshaft statt Profifußball unter Trainer Jörg Berger.

Rudans Berater habe im Anschluss einen Anwalt ins Gefängnis geschickt, um die Unterschrift des Spielers einzuholen. Später, nach der Überweisung in eine andere Haftanstalt, wurde beim Übersetzen des unterzeichneten Papiers offenbar festgestellt, dass ein falsches Spiel getrieben wurde. „Dieser Anwalt, der mich eigentlich schützen sollte, schützte in Wirklichkeit meinen Berater.“ Nie wieder habe er etwas von diesem gehört. Rudan geriet wieder auf freien Fuß, aber seine Karriere in Aachen war vorbei, der Klub vermeldete die Trennung.

Konsequenzen in der „Geldkoffer“-Affäre: Strafen für Berater und Schatzmeister

Auch die Spielervermittler Hans Hägele und der zunächst flüchtige Frano Zelic, der später ein Geständnis ablegte, sowie Schatzmeister Krings standen am Pranger und sollten vorübergehend in Haft. Nach ersten Erkenntnissen der Justiz sei die vorgetäuschte Ablöse „nach einem bislang nicht bekannten Schlüssel unter den Beteiligten aufgeteilt“ worden.


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„Es geht um den Verdacht der Untreue, des Betruges und der Urkundenfälschung. Zudem liegt in einem weiteren Einzelfall gegenüber dem ehemaligen Vorstandsmitglied der Verdacht der Steuerhinterziehung vor“, erklärte Not-Vorstandschef und Oberbürgermeister Linden. Selbst Ex-Coach Eugen Hach wurde in die Mangel genommen und befragt. Der sagte laut der „Welt“: „Ich wollte den Spieler. Von der Abwicklung der Sache wusste ich nichts. Ich bin sauber.“ Währenddessen kontaktierte der Aachener Not-Vorstand alle Vereine, mit denen in den letzten drei Jahren Transfers abgewickelt worden waren, um Summen abzugleichen. Auch gegen Pressesprecher Marco Clemens wurde wegen angeblicher Mitwisserschaft ermittelt. Der Fall zog fröhlich seine Kreise. Und mittendrin: Mark Rudan.

Seinen Ausführungen zufolge stellte sich heraus, dass er unschuldig in einen Transferbetrug verwickelt wurde. Dabei hatte es zunächst geheißen, dass der Spieler weitgehend gestanden habe, seine Rolle in dem Betrugsmanöver aber noch zu klären sei. Der „Kicker“ schrieb am 8. März 2002: „Rudan bestätigte im Verlauf des Verfahrens, von (Berater) Zelic 35.000 Euro bekommen zu haben, doch wurde er dafür nicht strafrechtlich belangt, weil er glaubhaft versichern konnte, den Betrag als Handgeldzahlung verstanden zu haben.“

Die Anklage gegen den 50-Jährige wurde fallengelassen, andere Beteiligte, die ihn in diese Situation manövriert hatten, kamen weniger glimpflich davon. Ex-Schatzmeister Krings und der nicht lizenzierte Berater Zelic erhielten Bewährungsstrafen von je 14 Monaten. Hägele musste wegen einer falschen eidesstattlichen Erklärung 4.000 Euro zahlen – und noch einmal 100.000 Euro an Alemannia Aachen.

„Es war bedauerlich“, erzählte Ex-Profi Rudan, der den Fußball fernab der Heimat in Aachen lieben gelernt hatte. „Ich war enttäuscht, weil mein Traum, in Europa zu spielen, geplatzt war. Ich war mental und physisch am Ende.“ Rudan sah Flucht im Genuss von Alkohol, wie er verriet. „Ich bin beileibe kein Alkoholiker, aber das war ein Laster, das mir ein wenig Trost spendete. Ich bin oft in verschiedene Kneipen in Belgien und Holland geflüchtet, um einfach nicht gefunden zu werden.“ Rudan, der 2002 von Aachen zu Nanjing Yoyo nach China und kurz darauf zu Sydney United weiterzog, nutze seine früheren Erfahrungen heute als Cheftrainer bei der Verpflichtung neuer Spieler. „Ich schaue mir ihre Lebenswege an, was sie überwinden mussten und was sie durchgemacht haben, denn rückblickend war das eine ziemlich dunkle Zeit in meiner Karriere, die mich erschüttert und verändert hat.“ Zuletzt, von Januar 2022 bis Mai 2024, stand er bei den Western Sydney Wanderers an der Seitenlinie.

Hinweis: Dieser Artikel erschien auf Transfermarkt erstmals im November 2025 und wurde nun noch einmal veröffentlicht.

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