Boris Becker über seine Knast-Zeit: „Es gab Fans, die mir in Briefen Geld geschickt haben“
Vom Tennis-Thron in die Zelle: Boris Becker (57) kennt Höhen und Tiefen wie kaum ein anderer
Mailand – Für Sport-Legende Boris Becker war die Zeit im Gefängnis die bitterste Niederlage seines Lebens. Jetzt veröffentlicht er seine Knast-Memoiren – und gibt Einblicke in den Alltag hinter Gittern.
Der Tennis-Star saß 2022 wegen Insolvenzstraftaten für siebeneinhalb Monate im Knast. In seinem Buch „Inside“ (erscheint am 10. September) spricht der dreifache Wimbledon-Champion offen über seine dunkelsten Tage.
Der schwerste Gang seines Lebens: Boris Becker im Jahr 2022 mit seiner heutigen Ehefrau Lilian de Carvalho Monteiro (35) auf dem Weg zur Urteilsverkündung ins Londoner Gericht
Boris Becker wurde Kleidung abgenommen
„Ich bin da in Jogginghosen herumgelaufen, und ich hatte die Kontrolle über mein Leben verloren. Die hatten dort andere“, sagt Becker im „Spiegel“-Interview über seine Zeit im Gefängnis. Mitgenommen hatte er ausgerechnet die Biografie von Modepapst Karl Lagerfeld (†85), dessen berühmter Spruch über Jogginghosen ihn eiskalt einholte.
Becker erzählt, wie er zur Urteilsverkündung eine Tasche packte – für den Fall der Fälle. „Wie packt man, wenn man vielleicht Jahre weg ist? Es gibt keine Listen dafür. Ich habe gedacht: lieber was Bequemes, das lange hält.“ Doch Wärter nahmen ihm einiges ab: Schwarze Trainingsanzüge (Schwarz tragen die Wärter), Aftershave und Rasierklingen. „Auch mit einer Zahnbürste kannst du jemanden verletzen. Ich wusste das vorher nicht.“
Das Gefängnis Wandsworth gilt als Problemknast mit extrem schwierigen Bedingungen. Hier saß Becker 2022 vier Wochen lang ein
„Du hörst Schreie, die ganze Nacht“
Die erste Nacht war ein Albtraum; „Du hörst Schreie, die ganze Nacht. Es klingt, als würde sich in der Zelle nebenan jemand umbringen oder sterben.“ Anfangs habe er einen Notfallknopf betätigt. Ein anderer Häftling habe gesagt: „Gewöhne dich dran, irgendwann schläfst du ein.“
Sein erstes Wochenende im Knast beschreibt Becker als „die schlimmsten drei Tage“ seines Lebens. Die Kälte ließ sich nur mit dicker Kleidung ertragen: „Zwei Trainingsjacken, zwei T-Shirts, Socken, Handtuch um den Hals, so habe ich geschlafen.“
Triumph für die Ewigkeit: 1985 gewinnt Becker in Wimbledon gegen Kevin Curren – mit 17 der jüngste Champion aller Zeiten
Boris Becker schaute immer wieder „Rambo“
Der Alltag des einstigen Helden: Brei, Bohnen, Würste fast roh. „Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben wirklich Hunger“, gesteht er im „Spiegel“. Dazu ein Fernseher mit winzigem Bildschirm, der „Leider nur zehn Filme“ umfasste. „Aber bevor du an die Wand starrst, guckst du dir halt ‚Rambo‘ zum elften Mal an.“
Anfangs lebte Boris Becker von 17 Euro die Woche. Die Hälfte habe er zum Telefonieren gebraucht. Und: „Es gab Fans, die mir in Briefen Geld geschickt haben. Das habe ich bekommen, als ich entlassen wurde.“ Denn es ist nicht erlaubt, sich Geld von draußen schicken zu lassen.
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„Der Verantwortliche bin ich selber“
Und doch findet Becker einen Ballwechsel fürs Leben. „Diese Zeit hat mir wahrscheinlich auch das Leben gerettet“, glaubt er. Denn: „Im Gefängnis bleibt die Zeit stehen. Ich hatte alles verloren, sogar meine Freiheit. Dadurch hatte ich genügend Zeit, mir zu überlegen, warum das passiert ist. Der Verantwortliche bin ich selber.“
Er fand echte Freunde. „Einer hat mir das Leben gerettet, Ike, ein großer, kräftiger Mann aus Nigeria. Er ist ein Bruder für mich.“ Die Lagerfeld-Biografie las er nicht zu Ende. „Aber ich habe sie als Gewicht benutzt und Gymnastik damit gemacht.“
Ehefrau Lilian blieb an seiner Seite
In seiner schwersten Zeit konnte Becker weder mit Ruhm noch Geld punkten. Die Frau an seiner Seite, Lilian, blieb trotzdem. Sie hatte ihn mit gerade einmal 28 Jahren kennengelernt. „Das größte Problem für mich war, dass Boris sehr berühmt war“, sagt sie im „Spiegel“. „Die Coronazeit hat uns Privatheit geschenkt und die Möglichkeit, uns richtig kennenzulernen.“
In Portofino (Italien) heiratete Boris Becker vor einem Jahr Lilian de Carvalho Monteiro. Aktuell erwartet das Paar sein erstes gemeinsames Kind
„Sie ist jetzt meine Kapitänin“
Vor der Urteilsverkündung habe Boris ihr gesagt, dass sie nicht auf ihn warten solle. Sie war „fast gekränkt“ von seinem Vorschlag. Hatte Angst, dass er nach dem Knast ein anderer sein würde. „Aber ich denke, er ist besser aus dem Gefängnis rausgekommen, als er reingegangen ist. Er ist klarer“, so Lilian.
Und auch mit Geld kann Boris Becker heute besser umgehen, betont er: „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und eine Partnerin zu Hause, die sehr vorsichtig, um nicht zu sagen, zurückhaltend mit Geld umgeht.“ Sie sei das Wichtigste für ihn: „Sie ist jetzt sozusagen mein Kapitän.“ Es scheint, als habe der alte Kämpfer seine Lektion gelernt.
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