Hausdurchsuchung bei WELT-Kolumnist Norbert Bolz: „Solche Razzien sind absurd“
Von Grünen bis FDP: Politiker sind entsetzt
Bekam wegen eines Tweets Besuch von der Polizei: Autor Norbert Bolz (72). Bolz, der auch regelmäßig als Experte von BILD befragt und zitiert wird, ist zudem regelmäßiger Gast bei WELT (gehört wie BILD zu Axel Springer).
Berlin – Heftige Kritik an der Hausdurchsuchung beim Publizisten Norbert Bolz!
Am Donnerstagmorgen kamen vier Polizeibeamte zu dem prominenten Autor nach Hause, weil dieser im Januar 2024 einen Tweet abgesetzt hatte. Weil darin die Begriffe „Deutschland erwache“ vorkommen, ein Slogan der Nationalsozialisten, schickte die Staatsanwaltschaft die Polizei. Dabei sagt Bolz, er habe diesen Satz erkennbar ironisch verwendet – als Reaktion auf einen Beitrag der Zeitung „taz“.
Der gesamte X-Beitrag von Norbert Bolz lautete: „Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!“ Der X-Beitrag der „taz“-Zeitung begann mit den Worten: „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“.
In einem neuen Bericht der „taz“ über den Fall Bolz heißt es, man halte „eine Hausdurchsuchung wegen eines solchen Tweets für unverhältnismäßig“ und frage sich, „warum die Staatsanwaltschaft nicht schon 1998 bei der taz geklingelt hat, als wir titelten ‚Deutschland, erwache!‘“
Lang: „Solche Razzien sind absurd“
Aus der Politik kommt Unterstützung für Bolz – auch aus dem linken Spektrum, das der Autor regelmäßig scharf kritisiert.
Die Bundestagsabgeordnete und frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang schrieb auf X (Twitter): „So ziemlich alles, was ich von Norbert Bolz je gelesen habe, fand ich politisch komplett falsch. Aber solche Razzien sind absurd. Und die so weitgehende Interpretation des Strafrechts bei Meinungsdelikten untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat.“
Grünen-Politikerin Ricarda Lang (31)
Buschmann: „Erfüllt keinen Straftatbestand“
Der frühere Justizminister Marco Buschmann (48, FDP) sagte auf BILD-Anfrage: „Norbert Bolz hat die NS-Parole ‚Deutschland erwache‘ als angebliche Übersetzung für ‚woke‘ benutzt. Jeder weiß, dass Bolz ein Kritiker der ‚Woke‘-Bewegung ist. Die Äußerung diente also erkennbar nicht der Identifikation mit der NSDAP, sondern der Schmähung der ‚Woke‘-Bewegung.“
Buschmann weiter: „Das mag geschmacklos sein, erfüllt aber keinen Straftatbestand. Als Jurist halte ich es für rechtswidrig, auf dieser Grundlage in den grundrechtlich geschützten Bereich der Wohnung einzudringen.“
Volkmann: „Meldestellen und Justiz verspielen kostbares Gut: Vertrauen“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann kritisiert in BILD: „Bei dieser Hausdurchsuchung ist nicht erkennbar, welches Rechtsgut durch die Ermittlungen eigentlich geschützt werden soll.“
CDU-Bundestagsabgeordneter Johannes Volkmann (28)
Der CDU-Politiker warnt vor dem Vertrauensverlust des Staates – zumal klar sei, dass Bolz im X-Beitrag nicht der NS-Ideologie zustimme: „Es ist schließlich offenkundig, dass hierbei kein bejahender Bezug zum Nationalsozialismus besteht. In einer Zeit, in der immer weniger Deutsche das Gefühl haben, sie könnten ihre Meinung frei äußern, verspielen Meldestellen und Justiz ein kostbares Gut: Vertrauen.“
Kubicki: „Staatlicher Exzess gegen die Meinungsfreiheit muss enden“
Der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (73, FDP) schrieb auf X: „Unfassbar. Das ist völlig inakzeptabel für ein freiheitlich-demokratisches Staatswesen. Der seit Jahren dauernde staatliche Exzess gegen die Meinungsfreiheit muss enden.“
Dieser Kommentar auf X ist der Grund für die Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz
Journalistenverband: „In Deutschland herrscht Satirefreiheit“
Der Deutsche Journalistenverband reagierte zurückhaltender. Ein Sprecher sagte auf BILD-Anfrage: „Deutschland erwache“ gehört zu den strafrechtlich verbotenen Parolen des Dritten Reichs. Kaum vorstellbar, dass Norbert Bolz das nicht wusste. Dass die Staatsanwaltschaft gleich das ganz große Geschütz einer Hausdurchsuchung abfeuern musste, darf bezweifelt werden.“
Der Verbandssprecher betonte jedoch: „In Deutschland herrscht Satirefreiheit. Deshalb kann es in diesem Zusammenhang erlaubt sein, die ehemalige Naziparole zu verwenden. Aber das muss klar als Satire zu erkennen sein.“
Jurist Lindner: „Überraschend“, dass Staatsanwaltschaft hier eine Strafbarkeit sieht
Der Augsburger Jura-Professor Josef Franz Lindner sagte auf BILD-Anfrage: „Es ist überraschend für mich, dass man in dieser Äußerung als Staatsanwaltschaft eine Strafbarkeit sieht.“
Lindner verweist auf den Kontext der Äußerung von Norbert Bolz: „Das Bundesverfassungsgericht fordert in ständiger Rechtsprechung, dass Meinungsäußerungen im Kontext auszulegen sind. Man darf dem Urheber nicht einfach die schlimmstmögliche Bedeutung der Äußerung unterschieben, sondern es ist zu überlegen, wie diese Äußerung auch verstanden werden könnte.“
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