Hessen-Minister Roman Poseck zum Melde-Skandal: „Keiner will ein Spitzelportal“

Hessen-Minister Roman Poseck zum Melde-Skandal: „Keiner will ein Spitzelportal“

Wiesbaden – Spätestens seit der Hausdurchsuchung beim Welt-Autor Norbert Bolz wird das Meldeportal ‚Hessen gegen Hetze‘ bundesweit zum Symbol fragwürdiger Überwachungskultur. Jetzt zeigt sich Hessens Innenminister offen für eine Neuausrichtung der Plattform. Roman Poseck zu BILD: „Keiner will ein Spitzelportal.“

Die Meldestelle leitet Hinweise weiter. So wurde auch der Satz „Deutschland erwache“ – ein potenziell strafrechtlich relevanter NS-Bezug – an das Bundeskriminalamt übermittelt. Für die weiteren Ermittlungen waren das BKA und die Justiz verantwortlich.

Was dann passierte, sieht Hessens Innenminister kritisch: „Die nähere Abwägung – auch im Kontext von Meinungsfreiheit und Satire – ist ausschließlich Sache der Justiz. Aus meiner persönlichen Sicht als ehemaliger Richter hätte die Berliner Justiz anders agieren, die Äußerung stärker in den Gesamtkontext stellen und damit auf eine Durchsuchung verzichten können.“

Dennoch will Poseck auch die Arbeit der Meldestelle auf den Prüfstand stellen: „Ich bin offen für eine Weiterentwicklung und Neujustierung der Meldestelle. Keiner will ein Spitzelportal. Wir sind ein freiheitliches Land, in dem wir auch abwegige und geschmacklose Äußerungen aushalten müssen.“

„Hessen gegen Hetze“: 85.000 Meldungen in fünf Jahren

Um „Hessen gegen Hetze“ zu verstehen, muss man in die Vergangenheit reisen. Entstanden ist das Portal als Reaktion auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke (†65, CDU) durch Neonazi Stephan Ernst (heute 52). Vor der Tat hatte sich die rechte Szene auf Lübcke eingeschossen und ihn als „Volksschädling“ beschimpft, weil er sich für Flüchtlinge eingesetzt hatte. Aus Worten wurde 2019 ein brutaler Mord.

Die Meldestelle startete am 16. Januar 2020. Seitdem sind 85.000 Meldungen eingegangen. 27.000 wurden wegen potenziell strafrechtlicher Relevanz an das BKA und knapp 14.000 an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt weitergeleitet.

Welt-Autor Norbert Bolz (72): Wegen eines Tweets mit dem Satz „Deutschland erwache“ rückte die Polizei an seinem Haus an

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Unter den Meldungen an das BKA befanden sich auch die Fälle Bolz und das sogenannte ‚Schwachkopf-Meme‘, das eine Hausdurchsuchung in Bayern zur Folge hatte, nachdem ein Mann Habeck im Internet beleidigt hatte. Doch sollte die Meldestelle tatsächlich abgeschaltet werden, blieben auch tausende Hinweise auf antisemitischen Hass, Mordaufrufe und andere schwerwiegende Hetze unbeachtet. Darunter Meldungen wie diese:

  • „Die Scheißjuden sollen da bleiben, wo sie sind. Sie sind noch schlimmer wie Adolf Hitler.“
  • „Du hast es verdient, vergewaltigt und getötet zu werden …“
  • „Juden sind nichts als Parasiten.“

Laut Poseck „gehen viele unerträgliche und eindeutig strafbare Inhalte ein, in denen die Meldestelle eine wichtige Funktion zur Durchsetzung des Rechtsstaats und zum Schutz von Betroffenen wahrnimmt“.

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