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Fast täglich kommt aus den USA mindestens eine Nachricht, dass die Trump-Regierung den Klima- oder Umweltschutz torpediert. Das US-Energieministerium habe Mitarbeiter der Abteilung für erneuerbare Energien, des Office of Energy Efficiency and Renewable Energy, angewiesen, das Wort »Klimawandel« zu vermeiden, berichtete am Dienstag der britische »Guardian« . In einer Mail habe es geheißen: »Bitte stellen Sie sicher, dass jedes Mitglied Ihres Teams weiß, dass dies die neueste Liste mit zu vermeidenden Wörtern ist – und vermeiden Sie alle Begriffe, von denen Sie wissen, dass sie nicht mit den Ansichten und Prioritäten der Regierung übereinstimmen.« Ehemalige Mitarbeiter der US-Umweltbehörde EPA berichten dem SPIEGEL von ähnlichen Anweisungen.
Das Wort Klimawandel wird in den USA zum Tabu. Es soll aus dem Sprachgebrauch gestrichen werden. Die Trump-Regierung versucht offenbar, Probleme loszuwerden, indem sie sie totschweigt.

US-Präsident Trump: Klimawandel ist als Wort nicht mehr erwünscht
Foto: Susan Walsh/ dpa
Auf diesem unsachlichen Level mischen sich deutsche Politiker – mit Ausnahmen bei der AfD – bislang (noch) nicht in die Debatte ein. Seit Monaten verwässern und verzögern jedoch auch konservative Politiker hierzulande Maßnahmen gegen den Klimawandel oder reden das Problem klein.
Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte vor wenigen Wochen etwa, Deutschland trage nur zwei Prozent zum weltweiten CO₂-Ausstoß bei, und versuchte damit offenbar klarzumachen, hierzulande könne ohnehin nicht viel eingespart werden. Dass Deutschland die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, die Deutschen vergleichsweise viel konsumieren und pro Kopf einen hohen CO₂-Ausstoß haben, verschwieg er. Er ließ auch weg, dass Deutschland eine starke Vorbildfunktion hat und es einen Effekt hat, wie stark die Industrienation in neue Märkte der Energiewende investiert.
Der Chef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), verspricht seit Monaten, das längst beschlossene Verbrenner-Aus zu kippen; gemeint ist, dass in der EU ab 2035 keine Benzin- und Dieselautos mehr zugelassen werden sollen. »Das Ziel heißt Klimaneutralität. Aber dazu braucht es Pragmatismus«, so Weber.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sieht »die Energiewende am Scheideweg« – womit nicht gemeint sein dürfte, dass sie nun konsequenter verfolgt wird.
In der Union mehren sich inzwischen gar Stimmen, die das deutsche Klimaziel infrage stellen. Im Klimaschutzgesetz ist festgeschrieben, dass Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken soll. Bis 2045 soll das Land klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder aus der Luft entfernt werden können.

Ministerpräsident Kretschmer: Klimaziele kann man ändern
Foto: Political-Moments / IMAGO
»Muss man 100 Prozent erreichen oder reichen nicht 90 Prozent oder 80 Prozent oder reicht statt 2045 auch 2050?«, fragte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Interview mit der »Welt« in dieser Woche. Er unterstützt damit den Bundestagsabgeordneten Tilman Kuban (CDU), der am Montag dafür geworben hatte, die Klimaziele in Deutschland und in der EU zu ändern, mit dem Argument, dass Arbeitsplätze gefährdet seien. Es sei ausreichend, wenn Deutschland 2045 zu 80 Prozent klimaneutral sei, so Kuban.
Der CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte der »Welt«, Deutschland dürfe keine »klimaneutrale grüne Wirtschaftsruine« werden. Andere sprechen von »Belastungen der Energiewende«, die angeblich dazu führten, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig sei.
Bremser bremsen, weil sie bremsten
Keine Frage: Es gibt Probleme bei der deutschen Energiewende. Sie sind jedoch größtenteils das Ergebnis jahrelangen politischen Zauderns und mangelnder Weitsicht. Gerade Politiker aus den Unionsreihen verhinderten lange eine durchdachte Planung oder machten sie komplizierter. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz etwa hatte im Jahr 2000 fünf Seiten, heute 150. Genehmigungen für Windparks zu bekommen, ist ein langwieriges Unterfangen. Viele Konservative hatten wenig Vertrauen in die Energiewende und förderten lieber fossile Energien wie Gas, Öl und Kohle. Nun sollen genau jene Versäumnisse dazu dienen, noch mehr zu bremsen. Das ist, als würde man sich selbst Stöcke in die Speichen schieben und dann behaupten, das Fahrrad sei zu langsam.
Es wurden kaum Stromnetze ausgebaut, vor allem die Verbindung zwischen den windreichen Küstenregionen im Norden und den Industriezentren im Süden wurde nicht rechtzeitig hergestellt. Projekte scheiterten an Bürokratie und einem Flickenteppich aus Zuständigkeiten. Stromspeicher wurden nicht ausgebaut und Öl- und Gasheizungen weiter eingebaut. Die Verkehrswende, der Wechsel von Verbrenner auf E-Autos etwa, geht nur langsam voran. Die Versäumnisse von gestern bremsen die Energiewende von heute.
Die meiste Zeit der vergangenen 25 Jahre war die Union in Regierungsverantwortung. Sie stellte überproportional viele Wirtschafts- und Verkehrsminister.

Klimapolitiker Andreas Jung (CDU): Das Ziel 2045 steht
Foto: Jens Schicke / IMAGO
Dabei gibt es auch progressivere Stimmen unter den Konservativen. Unionsfraktionsvize Andreas Jung wies die Forderungen, das Klimaziel abzuschwächen, diese Woche zurück, mit einem Verweis auf das eigene Wahlprogramm und den Koalitionsvertrag mit der SPD. Dort habe sich die Union zur Klimaneutralität 2045 bekannt. Angesichts der wirtschaftlichen Situation brauche es beim Klimaschutz »Planungs- und Investitionssicherheit mit stabilen und verlässlichen Rahmenbedingungen«, so Jung. »Das Ziel steht also, wir werden es aber nur erreichen, wenn wir Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke und sozialen Ausgleich unbedingt miteinander verbinden.«
Klimaunion stellt sich gegen Gaskraftwerkspläne
Seit 2021 gibt es die Klimaunion , eine Art klimapolitischen Flügel von CDU und CSU. Sie zählt mehr als tausend Mitglieder, Vorsitzender ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann. Ihr Ziel: Die Union auf Kurs Richtung einer 1,5-Grad-Politik zu bringen. Damit ist das Ziel des Pariser Klimaabkommens gemeint, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Das setzt voraus, dass schnell deutlich weniger Treibhausgase ausgestoßen werden.
Die Gruppe kritisierte im August die Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche für den Zubau von Gaskraftwerken, die Zeiten abfedern sollen, in denen kein Wind weht und keine Sonne scheint, also kein Strom aus Windkraft und Sonnenlicht erzeugt werden kann. Statt 30 bis 40 solcher Gaskraftwerke zu bauen, so die Klimaunion, könnten Pumpspeicher genutzt und Energie aus Biomasse gewonnen werden – beides CO₂-neutrale Alternativen. »Wir brauchen keine neuen fossilen Subventionen«, schreibt die Gruppe. Allerdings hat keiner der Klimaunions-Mitglieder in der neuen Regierung einen wichtigen Posten bekommen.
Dabei, so erklärten es Forschende dem SPIEGEL, gehört Klimaschutz zur DNA der Konservativen. Die Art und Weise, wie solche Projekte kommuniziert werden, müsse sich jedoch ändern. »Weil Unionsanhänger den Klimaschutz mehr schätzen, wenn er mit Wirtschaftsthemen und Sicherheitsfragen verknüpft wird, könnten mögliche Botschaften für sie sein: mehr Jobs durch Zukunftstechnologien. Weniger Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten«, erklärte Politikwissenschaftler Markus Kollberg von der Humboldt-Universität im Beitrag »Wie Klimapolitik für Konservative funktionieren könnte« . Er glaubt: Unionspolitiker könnten beim Klimaschutz mehr Menschen mit konservativen Werten erreichen, wenn sie häufiger von »Bewahrung und Sicherheit« statt von »Wandel« sprechen.
Das greifen mittlerweile Bürgerinitiativen auf. Der Verein heimatwurzeln in Bonn hat sich den Slogan »Für bürgerlichen Klimaschutz« gegeben. Dort ist man für »den Erhalt unserer heimischen Umwelt, die von der Erderwärmung bedroht ist«, und setzt auf »Werte, Traditionen und Lebensrealitäten der Menschen aus der Mitte der Gesellschaft«. Es gibt eigentlich nichts Konservativeres als Klimaschutz.
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Windpark in Schleswig-Holstein: Alles eine Frage der Kommunikation
Foto: Joerg Boethling / IMAGO