Europakritische Einschätzung
Russland begrüßt neue US-Sicherheitsstrategie
Washington kehrt Europa den Rücken – und Moskau klatscht Beifall. Die neue US-Sicherheitsdoktrin legt einen Schwerpunkt auf nationale Interessen und rüttelt am Fundament des westlichen Bündnisses.
Kremlsprecher Dmitrij Peskow: Die neue US-Sicherheitsstrategie unterscheide sich »grundlegend von ihren Vorgängern«
Foto: Ulf Mauder / dpa
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Washington geht deutlich auf Distanz zu Europa – nun erhält die neue US-Sicherheitsstrategie sogar Lob aus Moskau. Am Sonntag sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow, die Änderungen in der US-Strategie stünden »weitgehend in Übereinstimmung« mit der Sichtweise Russlands. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas unterstrich derweil, dass bei aller Empörung über die äußerst europakritische US-Einschätzung nicht vergessen werden dürfe, dass Washington »immer noch unser größter Verbündeter« sei.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte ihre neue Nationale Sicherheitsstrategie am Freitag veröffentlicht und darin eine umfassende außenpolitische Neuausrichtung angekündigt. Russland wird in der neuen US-Strategie kaum erwähnt, jedenfalls nicht als Bedrohung. Dagegen wird harsche Kritik an den europäischen Verbündeten geäußert, Washington will künftig den »Widerstand« etwa durch rechtsgerichtete Parteien gegen den aktuellen politischen Kurs Europas unterstützen und warnt vor einer »zivilisatorischen Auslöschung« Europas, insbesondere durch die »Masseneinwanderung«. Zudem wird von einer »Zensur der freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition« in Europa gesprochen.
Das sorgte in Europa für Empörung und heftige Kritik. Unter anderem erklärte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU), Deutschland benötige »keine externen Ratschläge« zu Fragen der freien Meinungsäußerung oder »der Organisation unserer freiheitlichen Gesellschaften«. Allerdings betonte er auch, die USA »sind und bleiben unser wichtigster Verbündeter« in der Nato.
Darauf verwies auch die EU-Außenbeauftragte Kallas. »Natürlich gibt es da viel Kritik, aber ich denke, etwas davon ist auch wahr«, sagte sie zu den Vorhaltungen der Trump-Regierung gegen Europa bei einer Konferenz in Doha. Die Sichtweisen beider Seiten stimmten nicht immer überein, »aber ich denke, das übergreifende Prinzip ist immer noch da«, fügte Kallas hinzu. »Wir sind die größten Verbündeten, und wir sollten zusammenhalten.«
Übereinstimmung mit Moskau
Demonstratives Lob für Washington kam dagegen aus Moskau: Die neue US-Sicherheitsstrategie unterscheide sich »grundlegend von ihren Vorgängern«, sagte Kremlsprecher Peskow am Sonntag im staatlichen russischen TV-Sender Rossija. »Die Anpassungen, die wir beobachten, stehen weitgehend in Übereinstimmung mit unserer Vision.« US-Präsident Trump sei »innenpolitisch derzeit stark – das erlaubt ihm, das Konzept seinen Vorstellungen anzupassen«.
Die neue US-Sicherheitsstrategie lasse auch vorsichtig hoffen, dass eine »konstruktive« weitere Zusammenarbeit bei der Suche nach einer »friedlichen Lösung in der Ukraine« möglich sei, fügte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin hinzu. Kallas wiederum hob hervor, dass kein »dauerhafter Frieden« zu erreichen sei, wenn die Ukraine »Beschränkungen und Druck« ausgesetzt werde. »Wenn Aggression belohnt wird, dann wird das wieder passieren«, warnte sie mit Blick auf den russischen Angriffskrieg.
In der neuen US-Strategie heißt es mit Blick auf den Krieg, es sei ein Kerninteresse Washingtons, »eine rasche Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine auszuhandeln, um die europäischen Wirtschaften zu stabilisieren, eine unbeabsichtigte Eskalation oder Ausweitung des Krieges zu verhindern«. Die Ukraine müsse nach dem Krieg wiederaufgebaut werden und als »überlebensfähiger Staat« erhalten bleiben. Zudem wird eine Nato-Erweiterung ausgeschlossen – die Ukraine strebt einen solchen Beitritt an.
Grundsätzlich wollen die USA laut der Strategie weg von globalem Engagement etwa in Europa und hin zur Konzentration auf nationale Interessen und zu mehr US-Dominanz in Lateinamerika. In dem Papier kritisiert die US-Regierung auch einen wirtschaftlichen »Niedergang« Europas. Es bestünden Zweifel, ob einige europäische Länder wirtschaftlich und militärisch künftig stark genug seien, um »verlässliche Verbündete« zu sein.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth lobte nun Deutschland für die Steigerung seiner Verteidigungsausgaben. Hegseth bezeichnete Deutschland in einer Rede am Samstag im US-Bundesstaat Kalifornien zusammen mit Israel, Südkorea und den baltischen Staaten als »vorbildliche Verbündete«. Diese Länder würden wegen ihrer Anstrengungen im Verteidigungssektor vom »besonderen Entgegenkommen« der USA profitieren, kündigte er an. Bei einem Forum zur Verteidigungspolitik in der Ronald-Reagan-Präsidentenbibliothek im kalifornischen Simi Valley sagte er, andere Partner, die dem weiterhin nicht nachkämen, würden »Konsequenzen« durch die USA hinnehmen müssen.



