VW-Arbeiter schimpfen bei Neustart nach Zwangspause am Fließband: „Wir haben die Schnauze voll!“
Nach einer Woche Zwangspause wird bei VW in Zwickau jetzt wieder gearbeitet
Zwickau – Nach sieben Tagen Zwangspause wird im Zwickauer VW-Werk wieder gearbeitet. Zum Produktions-Comeback in Europas modernster E-Auto-Fabrik versuchte die angereiste Polit-Prominenz, Zuversicht zu verbreiten. Am laufenden Produktionsband mischen sich unter der 9200-köpfigen Belegschaft trotzdem Wut und Angst.
Das Problem in Zwickau (Sachsen) liegt klar auf der Hand: Es fehlt an Kunden, die bereit sind, die hohen Preise für die in Westsachsen produzierten Modelle der Marken Volkswagen, Audi und Cupra zu bezahlen. Auch deshalb fordert Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine schnelle Rückkehr zur Kaufprämie für E-Autos, um den Standort zu sichern. Er erwarte jetzt schnell Klarheit darüber, wie die vom Bund angekündigten drei Milliarden Euro als Kaufanreiz ausgegeben werden sollten. Er verspricht: „Sachsen ist das Geburtsland der Mobilität, des Automobilbaus. Und die Menschen hier in Mosel (Ortsteil von Zwickau, Anmerkung der Redaktion) können sich sicher sein: Auch in den nächsten Jahren wird es dieses Werk geben.“
Sachsens MP Michael Kretschmer im Zwickauer VW-Werk
Was dann produziert wird, ist allerdings nicht abschließend geklärt. Bisher laufen sechs Modelle vom Band. Die Herstellung von ID.3, ID.4 und ID.5 sowie des Cupra Born soll aber nach den bisher bekannten Plänen in niedersächsische Werke verlagert werden. Lediglich der Audi Q4 e-tron und dessen Kombi-Variante Sportback sollen bleiben. Heißt: Dem schon jetzt nicht ausgelasteten Werk droht noch mehr Leerlauf. 300 000 Autos könnten jährlich vom Band laufen, 200 000 sind es derzeit.
Was fordern die Autobauer jetzt von der Politik? Welche Ängste haben Sie? BILD hat sich unter den VW-Mitarbeitern in Zwickau umgehört.
„Uns werden ständig Lügen aufgetischt!“
Kai Strobl arbeitet seit 1991 im VW-Werk. Noch nie hat er sich so Sorgen gemacht wie jetzt
Kai Strobl (54, VW-Produktionsmitarbeiter): „Diese Woche, in der wir nicht arbeiten durften, war niederschmetternd. Ich bin seit 1991 hier und habe viele schwere Zeiten mitgemacht. So schlimm wie jetzt war es aber noch nie. Wir bekommen ständig Lügen aufgetischt. Erst wird uns Druck gemacht und dann machen sie einen einwöchigen Stopp. Wir haben alle die Schnauze voll. Schauen Sie sich doch mal um hier. Diese hochmoderne Halle, also Halle 5, soll 2027 stillgelegt werden – Wahnsinn!“
„Die ganze Region hat Existenzangst“
Stephanie Haferkorn ist Mutter eines kleinen Sohnes
Stephanie Haferkorn (31, Mitarbeiterin in der Instandhaltung): „Wir machen uns natürlich Gedanken, wie es weitergehen soll. Wir haben Existenzangst, das betrifft die ganze Region. Als Mutter eines dreijährigen Sohnes mache ich mir natürlich auch Sorgen. Ich fordere von der Politik jetzt ganz klare Rahmenbedingungen für die E-Mobilität.“
„Die Regierung muss endlich handeln!“
Heiko Kursawe fordert ein klares politisches Bekenntnis zur E-Mobilität
Heiko Kursawe (60, Betriebsrat): „Die Regierung muss endlich handeln und die E-Mobilität unterstützen. Unter anderem müssen die Ladepreise niedriger werden und es muss auch ein einheitliches Zahlsystem für Ladesäulen eingeführt werden. Die hohen Verkaufspreise für unsere E-Autos kommen nicht nur von unseren Personalkosten. Auch die Rohstoffpreise sind hoch und der Strom ist insgesamt deutlich teurer als anderswo.“
„Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.“
Tino Grundt bleibt trotz der Misere Optimist
Tino Grundt (40, Meister in der Fertigung): „In Summe sehe ich doch auch noch Positives. Wir sind doch noch immer aus der Krise herausgekommen, also gebe ich die Hoffnung nicht auf. Wichtig ist jetzt, dass es mehr Förderung auf E-Autos gibt.“
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