Als Andreas Möller es wagte, vom BVB zu Schalke zu wechseln

Als Andreas Möller es wagte, vom BVB zu Schalke zu wechseln

Deal hinter zugezogenen Gardinen 

Als Andreas Möller es wagte, vom BVB zu Schalke zu wechseln

©IMAGO

Zum Jahresausklang blicken wir zurück auf einige kuriose Transfer-Geschichten. Dazu zählt auch der Wechsel von Andreas Möller zum FC Schalke. Der Artikel wurde erstmals am 17. November 2024 veröffentlicht.

Transferverhandlungen können zäh, langwierig und voller Stolpersteine sein. Profis wollen ihren Wechsel zu ihrem Wunschklub mitunter erzwingen und nehmen dafür reichlich Ärger mit ihrem aktuellen Arbeitgeber in Kauf, verspielen Kredit bei den Fans und sorgen bei ihren Vorgesetzten für Verwunderung. Transfermarkt blickt auf Transfers der Vergangenheit, die von lauten Nebengeräuschen geprägt waren. Im Fokus steht diesmal Andreas Möllers Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Schalke 04 zur Saison 2000/01.

Zu den unvorstellbaren Dingen im Leben zählen für gewöhnlich Transfers zwischen den ärgsten Rivalen, deren Fans sich ganz und gar nicht ausstehen können. Vom BVB zu Schalke oder umgekehrt? Auf keinen Fall! Darauf wäre auch der einst von S04 umworbene Anthony Modeste, der lediglich ein Jahr das Trikot der Schwarz-Gelben trug, nicht gekommen. „Als Kölner und ehemaliger Dortmunder fühlt sich ein Wechsel nach Schalke nicht richtig an“, sagte der Mittelstürmer bei „Sky“. Ganz anders machte es in der Vergangenheit Andreas Möller, der 301-mal für den BVB auflief, 182 Torbeteiligungen sammelte und damit großen Anteil an zwei Meisterschaften, einem DFB-Pokal-Triumph und dem Champions-League-Sieg 1997 hatte. Von Schalke war Möller lange Zeit so weit entfernt wie der FC Bayern vom Abstieg. Bis der Mittelfeldmann das Unmögliche 2000 tatsächlich wagte.

Der Weltmeister von 1990 und Europameister von 1996 wechselte mit Ablauf seines Vertrages ablösefrei und für zwei Jahre plus Option nach Gelsenkirchen. „Ich war damals 32, also auf der Zielgeraden der Karriere.“ Dazu kam, dass Möller beim abgestürzten, aber vom Interimsduo Udo Lattek und Matthias Sammer gerade noch rechtzeitig geretteten BVB nicht mehr in Tritt kam. Ein Muskelbündelriss und ein Muskelfaserriss hatten Spuren hinterlassen. „Er bringt mir zu wenig, er ruft sein Leistungspotenzial nicht ab“, monierte Legende Lattek. Wohl auch deshalb wollte Dortmund nur zu reduzierten Bezügen mit seinem Großverdiener, der angeblich rund 6 Millionen Mark im Jahr einstrich, verlängern. „Ich habe kein gutes Vertragsangebot bekommen, der Gürtel musste enger geschnallt werden – das wurde mir so gesagt. Ich wäre gerne geblieben, aber das Dortmunder Angebot war einfach nicht akzeptabel, das konnte ich nicht annehmen“, verriet Möller später einmal.

Also zog er zum Feind weiter. „Die letzten zwei Jahre beim BVB waren nicht erfolgreich. Ich möchte wieder Erfolg haben. Ich habe eine Herausforderung für die nächste Saison gesucht und freue mich auf Schalke“, erklärte Möller im Rahmen seiner vielbeachteten Präsentation. „Mein Wechsel ist ein mutiger Schritt. Ich kann das Publikum nur sportlich überzeugen, es geht einzig und allein nur über Leistung.“ Die Herausforderung Schalke fasziniere ihn. „Dafür werde ich bis zum Umfallen kämpfen. Denn über allem steht, dass ich wieder gut Fußball spiele und wir Erfolg haben. Ich bin total heiß auf Schalke. Ich will es mir beweisen, von mir aus kann es gleich losgehen.“ Er habe gegenüber seinem BVB-Vertrag sogar finanzielle Einbußen in Kauf genommen, sagte er der „Bild“: „Ich musste einfach weg vom BVB.“ Es wurde jedoch gemunkelt, dass Möller bei Schalke in zwei Jahren 15 Millionen Mark einschließlich Leistungsprämien und Handgeld erhalten würde.

Andreas Möller spielte von 1988 bis 1990 und von 1994 bis 2000 301-mal für Borussia Dortmund und gewann mit den Schwarz-Gelben unter anderem 1997 die Champions League

Andreas Möller spielte von 1988 bis 1990 und von 1994 bis 2000 301-mal für Borussia Dortmund und gewann mit den Schwarz-Gelben unter anderem 1997 die Champions League

Manager und Drahtzieher Rudi Assauer, wegen seines gewagten Transfergeschäfts selbst am Pranger, warb vehement um Geduld. „Mir ist bewusst, dass dies bei einigen Fans auf Unverständnis stößt. Aber ich bitte um eine faire Chance für Andreas Möller.“ Von jenem Publikum, das Möller bei Revierderbys in den Vorjahren mehr als deutlich zu verstehen gegeben hatte, was es von ihm hielt: gar nichts. Möller war in den neunziger Jahren ohnehin zur stark polarisierenden Erscheinung geworden. Wenig schmeichelhafte Spitznamen wie „Heulsuse“ und „Heintje“ wurden ihm verpasst. Und genau dieser Möller trug nun das Schalker und nicht mehr das Dortmunder Trikot.

Assauer fädelte Möllers Wechsel vom BVB zu Schalke ein

Weil dieses Transfergeschäft von höchster Brisanz war, wurde beim Einfädeln des Deals mit Bedacht vorgegangen. Der vor Selbstbewusstsein strotzende Assauer hatte sich in den Kopf gesetzt: Möller soll her! „Ich dachte: Verdammte Hacke, Möller! Vertrag läuft aus, ablösefrei, wupp. Das ging ratzfatz“, meinte Assauer. „Andy ist nach wie vor der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Bundesliga. Wir haben immer jemanden mit seiner Kreativität, seiner Fußball-Intelligenz und seiner Klasse gesucht. Er ist ein Mann, der Spiele alleine entscheiden kann.“

In der Wohnung des Schalker Vorstandsmitglieds Peter Peters wurde ein geheimes Treffen abgehalten – und die für nicht realistisch gehaltenen Dinge nahmen ihren Lauf. „Andy Möller kam mit seinem Berater Klaus Gerster. Von uns waren der damalige Manager Rudi Assauer und Trainer Huub Stevens dabei. Andy hat dann bei diesem Treffen den neuen Vertrag auf Schalke unterschrieben. Ich weiß noch, wie ich die Gardinen zugezogen habe, damit keiner etwas mitbekommt“, erzählte Peters mit einem Lachen. „Ich wusste damals, dass wir ein großes Risiko eingegangen sind, aber der Möller-Wechsel hat die notwendige Spannung aufgebaut.“

Die Schalker Fans „empfangen“ Neuzugang Andreas Möller im Sommer 2000

Die Schalker Fans „empfangen“ Neuzugang Andreas Möller im Sommer 2000

Und der Profi, der das Ganze zunächst für „einen Scherz gehalten“ hatte, wollte im reifen Alter sein zweifelhaftes Standing aufbessern. „Schalke, das war schließlich auch die Möglichkeit, endlich mein Weichei-Image abzustreifen“, so Möller, der für Schalke attraktive Angebote aus der Türkei zurückwies. No Risk, no Fun. Und Assauers Avancen ignorieren, das schien keine Option. Der Manager war „unglaublich hartnäckig, er meinte es ernst“. Deshalb blieb es nicht bloß bei einem anfänglichen Berateranruf. Assauer holte sich einen Tag später Möllers Ja am Telefon. „Ich sagte zu, aber fast niemand durfte etwas mitbekommen. Nicht einmal meinen Eltern habe ich etwas erzählt.“

Immerhin wurden die BVB-Verantwortlichen um Boss Dr. Gerd Niebaum informiert, der seinerseits noch einmal alles in die Waagschale warf, um Möller aufzuhalten – ohne Erfolg. Wenige Stunden vor der Bekanntgabe des Schalke-Wechsels wollte Dortmunds Manager Michael Meier Möllers Verlängerung bis 2002 final auf den Weg bringen. „Dann ließ er die Katze aus dem Sack.“ Und rund eine Woche nach dem Saisonfinale 1999/00 war der Paukenschlag offiziell. Auch BVB-Torwart Jens Lehmann sollte eigentlich wieder in Gelsenkirchen aufschlagen, wie vom damaligen Schalker Aufsichtsrat Jürgen Möllemann bestätigt wurde, dazu kam es aber nicht.

Schalke-Profi Wilmots ärgerte sich über Möller-Transfer

Als das Schalker Volk die unglaubliche Nachricht vom Möller-Transfer entgegennahm, hagelte es Proteste und Vereinsaustritte. Der Zorn war enorm, auch gegen den Boss. Unter anderem „Assauer & Möller – verpisst euch!“ war auf Transparenten von der Tribüne zu lesen. Selbst im Team wurde der Möller-Transfer kritisch begleitet, „Kampfschwein“ Marc Wilmots war mit der Verpflichtung des Konkurrenten vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Und keineswegs amüsiert. „Wenn es mit uns beiden nicht funktioniert, kann ich nach einem Jahr weggehen. Das habe ich schriftlich, mit einer festgeschriebenen Ablöse“, öffnete der 31-jährige Wilmots die Tür für eine Zweckgemeinschaft. Um kurz danach – was nichts mit Möller zu tun gehabt haben soll – ein lukratives Angebot von Girondins Bordeaux anzunehmen.

Der Moment am 19. Mai 2001, als der FC Schalke 04 kurzzeitig Deutscher Meister war: Andreas Möller jubelt mit Manager Rudi Assauer

Der Moment am 19. Mai 2001, als der FC Schalke 04 kurzzeitig Deutscher Meister war: Andreas Möller jubelt mit Manager Rudi Assauer

Und Möller? Der schaffte es zwar nicht, die Herzen der Schalker Fans vollends zu erobern, verdiente sich über Leistungen bei der „größtmöglichen Herausforderung“ aber zumindest Respekt und Anerkennung. Ein steiniger Weg, zu dem auch der alleinige Besuch eines Schalker Fanklubtreffen gehört habe – „das war auch nicht einfach“. Aber wer liefert, wird belohnt. Die Königsblauen stürmten fast bis zum Titel und wurden „Meister der Herzen“ hinter den Bayern, was vor allem dem genialen Offensiv-Quartett Ebbe Sand, Emile Mpenza, Jörg Böhme und Spielmacher Möller zu verdanken war. Früher Höhepunkt: Schalke gewann am 23. September 2000 das Revierderby in Dortmund mit 4:0 – die von den BVB-Anhängern zur Begrüßung des „Verräters“ mitgebrachten Taschentücher wurden selbst benötigt. Von da an hatte es der Routinier leichter. Die „Heulsuse“ wurde in „Kampfsuse“ umbenannt, holte mit Schalke zweimal den DFB-Pokal und blieb bis 2003.

„Schade, dass ich bei meinem Wechsel nicht zehn Jahre jünger war. Dann hätten wir hier zusammen noch mehr Erfolge feiern können. Es war eine wunderschöne Zeit, und dass wir fast Meister geworden wären, wird mir unvergessen bleiben“, bilanzierte Möller bei „RevierSport“. „Ich wusste vorher nicht, was da auf mich zukommt. Dieses Verhältnis war ja nicht immer leicht, hat sich aber von Spiel zu Spiel entwickelt, bis ich am Ende ein vollwertiges Mitglied des FC Schalke war. Dass ich so einen Abschied erhalten habe, macht mich glücklich. Ich bin stolz darauf, bei S04 gespielt zu haben.“

Hinweis: Dieser Artikel erschien auf Transfermarkt erstmals im November 2024 und wurde nun noch einmal veröffentlicht.

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