DFB-Team: Nagelsmann und die Probleme des Null-Tore-Sturms um Woltemade

DFB-Team: Nagelsmann und die Probleme des Null-Tore-Sturms um Woltemade

Das Momentum ist gesucht 

DFB-Team: Nagelsmann und die Probleme des Null-Tore-Sturms um Woltemade

©IMAGO

Nick Woltemade ist endlich da. Und damit hat die Hoffnung des Bundestrainers auf Tore gegen Luxemburg doch noch einen Namen. Das Problem: Auch zwei Tage vor dem Spiel in Sinsheim stand der 23 Jahre alte Angreifer von Newcastle United nicht auf dem Trainingsplatz.

Woltemade schaute den Teamkollegen um den rechtzeitig fit gewordenen Stammtorwart Oliver Baumann in Herzogenaurach nur kurz zu – und das warm eingepackt in eine dickere Jacke. Mehr als eine individuelle Einheit war noch nicht drin für den Angreifer, der nach dem sommerlichen Transferwirbel bei seinem neuen Arbeitgeber mit vier Toren bestens gestartet ist.

Aber kann Woltemade, den die englischen Medien schon als „Big Nick“ hofieren, nach einem grippalen Infekt überhaupt die so dringend benötigte Soforthilfe sein? Julian Nagelsmanns Not ist jedenfalls groß: Er geht gleich mit mehreren Null-Tore-Stürmern in die wichtigen Partien am Freitag (20:45 Uhr/ARD) gegen den Tabellenletzten sowie drei Tage später in Belfast gegen Nordirland (20:45 Uhr/RTL).

Woltemade, Burkardt, Beier: Alle bei null im DFB-Team

„Wir haben nicht immer den Top-Kader zur Verfügung“, klagte Nagelsmann erst zuletzt wieder angesichts der hochkarätigen Ausfälle gerade auch in der Offensive. Er muss ständig improvisieren. Und die Trainingseindrücke auf sich wirken lassen. „Wir müssen gucken, welche Spieler gerade top drauf sind.“ Wer hat also das „Momentum“, von dem Nagelsmann so gerne spricht?

Die Formkurve sprach – bis zu seinem Infekt – fraglos für Woltemade. Der junge Schlaks, der nach seinem irre anmutenden 75-Millionen-Euro-Wechsel vom VfB Stuttgart zu Newcastle besonders aufmerksam beobachtet wird, hat nach vier Einsätzen im Nationaltrikot in der Rubrik Treffer auch noch eine Null stehen. Als er vor vier Wochen beim 3:1 gegen Nordirland in Köln vor dem gegnerischen Tor wieder nicht zündete, wurde er sogar erstmals ausgepfiffen.

Aber wo sind die Alternativen in der Sturmspitze? Der Frankfurter Jonathan Burkardt (drei Länderspiele, null Tore) und der Dortmunder Maximilian Beier (vier/null), die der DFB als weitere Angreifer auflistet, warten ebenfalls noch auf den Premierentreffer in der Nationalmannschaft.

Deutschland war mal ein Mittelstürmer-Land

Nagelsmann klagt schon länger über einen Mangel „an klassischen Stoßstürmern“, wie sie Deutschland über Jahrzehnte hatte. Man denke nur an Fritz Walter, Uwe Seeler, Gerd Müller, Horst Hrubesch, Klaus Fischer, Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff oder WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose. Die Neuner-Position war über Generationen keine Schwachstelle. In der Gegenwart ist das anders.

Der Gladbacher Tim Kleindienst (sechs/vier) fehlt verletzt. Und an Niclas Füllkrug (24/14) glaubt der Bundestrainer nach mehreren Blessuren und ausbleibenden Toren bei West Ham United anscheinend nicht mehr. Als Nagelsmann jetzt auf die Adduktorenprobleme des Stuttgarters Jamie Leweling reagierte, holte er als Nachrücker nicht Füllkrug, sondern Kevin Schade vom FC Brentford. Dessen Bilanz: Vier Länderspiele, null Tore.

51 Treffer konnte Nagelsmann in seinen 25 Länderspielen als Bundestrainer bejubeln. Alleine 28 davon gehen auf das Konto von Füllkrug, Kai Havertz, Jamal Musiala (jeweils sieben), Kleindienst (vier) und Deniz Undav vom VfB Stuttgart (drei). Bis auf Füllkrug sind alle in der WM-Saison gerade nicht einsatzfähig. Der richtige Zeitpunkt, um mal der eigenen Ansage nachzukommen, auf weniger Qualität zu setzen, „sondern auf Spieler, die alles reinwerfen“, auch aus kleineren Ligen oder Vereinen? So könnte sich passend zur WM in Nordamerika eine unbeachtete Option auftun.

In diesem Jahr netzte, abgesehen vom im Fußballzwerg Singapur aktiven Lennart Thy (27 Tore), Prince Owusu vom MLS-Klub CF Montréal weltweit als Deutscher bei einem Erstligisten am häufigsten ein – vor den DFB-Spielern Woltemade und Burkardt. Wettbewerbsübergreifend gelangen dem 28-Jährigen 17 Treffer in 39 Einsätzen. Der 1,90 Meter große ehemalige Zweitliga-Profi bringt das klassische Profil eines Stoßstürmers mit – und Erfahrungen aus den WM-Gastgeberländern. „Ich wusste immer um meine Qualität und es war auch mein Ziel, nach und nach Duftmarken zu setzen. Umso schöner, dass es so schnell geklappt hat“, sagte Owusu jüngst im Gespräch mit Transfermarkt. Allerdings dürfte auch Ghana ein Auge auf ihn geworfen haben.

DFB-Star Wirtz und der Bleiklotz an den Beinen

Nur Florian Wirtz, mit acht Treffern der erfolgreichste Schütze in der zweijährigen Amtszeit des Bundestrainers, steht ansonsten zur Verfügung. Doch der 22-Jährige kommt beim FC Liverpool nicht auf Touren. Die Ablösesumme von bis zu 150 Mio. Euro wirkt wie ein Bleiklotz an seinen flinken Beinen.

Trotzdem muss Nagelsmann auf Wirtz setzen. „Flo ist unser wichtigster Offensivspieler. Er muss das Heft vorne in der Hand haben“, sagte der DFB-Trainer nach dem Heimsieg gegen Nordirland, als neben Serge Gnabry und Nadiem Amiri auch Wirtz mit einem wunderbaren Freistoß traf und damit zur großen Erleichterung nach dem 0:2 in der Slowakei beitragen konnte.

Größter Erfolgsgarant im aktuellen Kader ist übrigens Gnabry mit 23 Toren in 53 Länderspielen. Und der 30-Jährige strotzt – wie alle Akteure vom FC Bayern – gerade vor Selbstvertrauen. Gnabry könnte auch im Angriffszentrum die erste Option sein, wenn Woltemade nach seinem Infekt noch zu geschwächt sein sollte für einen Startelfeinsatz gegen das Fußballleichtgewicht Luxemburg.

Weiterlesen

Weitere Nachrichten