FC Burnleys Torwarttrainer Kersten Kuhl im Transfermarkt-Interview

FC Burnleys Torwarttrainer Kersten Kuhl im Transfermarkt-Interview

Vom Emsland in die Premier League 

FC Burnleys Torwarttrainer Kersten Kuhl im Transfermarkt-Interview

©IMAGO

Kersten Kuhl lebt seinen Traum: Als Torhüter brachte er es nur bis in die Oberliga Niedersachsen, als Torwarttrainer ist er auf dem höchsten Niveau angekommen. Beim englischen Erstligisten FC Burnley trainiert der gebürtige Niedersachse die Profikeeper. Bei Transfermarkt spricht der 33-Jährige über seinen ungewöhnlichen Weg.

Als vor wenigen Wochen mit Fabian Otte (Tottenham Hotspur) und Kersten Kuhl zwei deutsche Torwarttrainer in der Premier League aufeinandertrafen, war das eine außergewöhnliche Situation. Denn in den vergangenen Jahren waren nur wenige deutsche Torwartcoaches in der Premier League aktiv. „Fabian und ich kennen uns schon seit Jahren. Es ist in gewisser Weise witzig und schön zugleich, wenn man bedenkt, dass wir uns vor Jahren in Neuseeland kennengelernt haben, wo wir beide den Traum vom Profifußball hatten und jetzt dürfen wir in der stärksten Liga der Welt arbeiten“, sagt Kuhl zu Beginn des Gesprächs.

Für Kuhl ist die Welt des Profifußballs alles andere als selbstverständlich. Jahrelang war nicht absehbar, dass er dort landen würde. Der heute 33-Jährige wuchs im beschaulichen emsländischen Meppen auf. Zwischen Landwirtschaft und Moorgebieten galt seine Begeisterung schon früh dem Fußball – auch mangels Alternativen. „Ich liebe das Emsland, ich bin Meppener durch und durch. Ich weiß, dass viele denken, wenn man im Emsland aufwächst, muss man Landwirt werden, bei mir war das aber nicht so. Ich wollte immer Fußballer werden“, schmunzelt er.


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Beim ehemaligen Zweitligisten SV Meppen machte er seine ersten fußballerischen Schritte, stellte aber mit der Zeit fest, dass es für eine Profikarriere nicht reichen würde. So schloss er sich dem Oberligisten Holthausen/Biene an. Eine Zeit, an die er sich gerne zurückerinnert. „Amateurfußball hat seinen eigenen Charme. Meistens hat man eine Truppe zusammen, mit denen man auch privat viel unternimmt. Der Amateurfußball ist ein spezieller Kosmos, man kennt eigentlich immer zwei, drei Spieler vom Gegner persönlich“, erzählt der 33-Jährige.

„Das war der Startschuss“ – Wie ein Anruf Kuhls Karriere veränderte

Schon mit 21 Jahren begann er, sich mit der Nachwuchsförderung zu beschäftigen und trainierte die Jugendtorhüter beim SV Meppen und später bei Spelle-Venhaus. Bis hierhin ist es eine klassische Torwarttrainerkarriere, wie man sie auch heute noch im Amateurfußball findet. Und wahrscheinlich wäre Kuhl noch heute in der niedersächsischen Oberliga tätig, hätte es damals nicht den Anruf aus Mönchengladbach gegeben.

„Ich bin damals zweigleisig gefahren: Auf der einen Seite habe ich mein Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen und auf der anderen Seite den Nachwuchs beim SV Meppen trainiert. Damals war Stefan Wessels der Torwarttrainer der Profis, der mir sagte, dass er mir zutraut, Torwarttrainer bei einer Profimannschaft zu werden. Das war wie ein Startschuss für mich. Ich habe mir fortan zum Ziel gesetzt, als Torwarttrainer meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Durch verschiedene Hospitanzen bin ich in Kontakt mit den damaligen Torwarttrainern der Gladbacher Profis, Uwe Kamps und Christoph Semmler, gekommen. Daraus hat sich die Chance entwickelt, in das Nachwuchsleistungszentrum von Borussia Mönchengladbach wechseln zu dürfen.“

Bei den Fohlen war man von Kuhls Fähigkeiten überzeugt, auch weil er nicht nur seine Torhüter besser machte, sondern sich selbst weiterschulte. „Gladbach war richtig stark auf den Positionen der Torwarttrainer aufgestellt. Sie hatten unter anderem Kamps, Semmler, Marcel Höttecke, Steffen Krebs und Fabian Otte. Dort trafen unheimlich viele Ideen aufeinander, wie man das Torwarttraining gestalten kann. Und klar: Dort habe ich mich jeden Tag inspirieren lassen, um mein Training zu verfeinern“, blickt er zurück.

Er hinterfragte sich in jener Zeit immer wieder, um seinen Schützlingen das beste Training und die beste Ausbildung zu ermöglichen. „Für mich war der wichtigste Lerneffekt zu erkennen, dass man Yann Sommers Training nicht eins zu eins auf jeden Jugendtorhüter übertragen kann – nur weil er einer der besten Bundesliga-Torhüter ist. Jeder Torwart muss individuell betrachtet werden und entsprechend ein maßgeschneidertes Training erhalten. Der Anspruch eines Trainers sollte immer sein, seine Schüler zur besten Version ihrer selbst auszubilden.“

Nach fünf Jahren bei den Fohlen zog es Kuhl für ein Jahr in den Nachwuchs von Hertha BSC, bevor er sich 2023 der U19 des 1. FC Köln anschloss. Bei den Geißböcken galt vor allem der jetzige Sportdirektor Thomas Kessler als Fürsprecher des Niedersachsen. Kessler war auch dafür verantwortlich, dass Kuhl in der Rückrunde 2023/24 das Training der Profitorhüter übernahm.

Besonders an seine erste Trainingswoche und das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt erinnert sich Kuhl lachend. „Es war ein Freitagabendspiel und ich war tatsächlich etwas aufgeregt. Beim Aufwärmen bin ich erst ausgerutscht und habe mich dann vor allen hin gepackt, das war schon unangenehm. Aber danach war die Aufregung weg. Insgesamt war es eine unfassbare, tolle und lehrreiche Zeit beim Effzeh, vor allem die Zusammenarbeit mit Marvin Schwäbe habe ich sehr genossen.“

Kuhl über die besondere Spezies Torwart

Speziell, verrückt, eigenbrötlerisch – es gibt viele Attribute, die Torhütern nachgesagt werden. Kuhl hat viele solcher Charaktere erlebt. Das liege am speziellen Berufsprofil der Keeper, so der Torwarttrainer. „Die Position des Torhüters widerspricht den menschlichen Reflexen. Wenn etwas Schnelles auf einen zufliegt, versucht man normalerweise, dem Gegenstand auszuweichen. Der Torhüter widersetzt sich und geht bewusst Schmerzen ein, indem er versucht, den Ball mit jedem Körperteil zu halten. Das ist schon verrückt. Ich finde, dass die Torwartposition eine sehr spezielle und besondere ist, auf der sich starke Persönlichkeiten entwickeln. Wenn man bedenkt, dass fast jeder Fehler von einem Torwart zu einem Gegentor und im schlimmsten Fall zu einer Niederlage führt, entsteht dadurch ein hohes Druckpotenzial. Dabei Geduld, Resilienz und mentale Stärke aufzubringen und jedes Wochenende immer wieder starke Leistungen abzurufen, verdient großen Respekt.“

Die Position des Torhüters ist die wohl wichtigste und sensibelste im Fußball. Entsprechend musste sich Kuhl die Frage stellen lassen, wie er Keeper verbessern kann, wenn er selbst nie im Profifußball aktiv war. „Ich sehe das absolut nicht kritisch. Es ist ein Fakt: Ich habe kein Profispiel absolviert. Doch genau darin sehe ich meinen Vorteil: Weil mir diese Erfahrung fehlt, bin ich sehr wissbegierig und lernwillig. Ich habe zu dem Thema alles aufgesaugt, was ich bekommen konnte. Ich bin im Austausch mit meinen Torhütern feinfühlig und habe eine ganz andere Wahrnehmung entwickelt“, so Kuhl.

Aufgrund seiner eigenen Geschichte hat er bis heute einen Blick für die Fußballbasis und weiß, dass er in einer Luxusposition arbeitet. Deshalb ist es ihm eine Herzensangelegenheit, Tipps an Torhüter im Amateurfußball weiterzugeben, die nicht täglich mit einem Torwarttrainer zusammenarbeiten können. „Ein wichtiger Punkt ist, möglichst viel Erfahrung zu sammeln – sei es im Training oder in Spielen. Ich würde sagen: Nimm deshalb jede Zusatzeinheit oder jedes Freundschaftsspiel dankend an. Versuche dich zu reflektieren, indem du dein Torwartspiel beispielsweise mit einer Handykamera oder GoPro aufzeichnest. Meistens sieht man da selbst erste Verbesserungsmöglichkeiten. Es schadet auch nicht, sich den Lieblingstorwart anzuschauen und zu überlegen, warum er in bestimmten Situationen so reagiert. Vielleicht lässt sich davon etwas ins eigene Spiel übertragen“, erklärt Kuhl.

Kuhl schafft mit FC Burnley Premier-League-Aufstieg: „Vier Tage durchgefeiert“

Vor gut einem Jahr folgte der große Karrieresprung: Kuhl wurde Torwarttrainer beim damaligen Zweitligisten FC Burnley und schaffte mit ihm die Rückkehr in die Premier League. Besonders gern erinnert sich der Niedersachse an die Aufstiegsfeier. „Die Mischung aus einer geilen Truppe, Bier und Karaoke werde ich nie vergessen. Wir haben vier Tage durchgefeiert. Ich weiß nicht, wie oft wir ‚My Way‘ von Frank Sinatra oder Songs von Natasha Bedingfield gesungen haben. Tatsächlich war auch DJ Ötzi sehr beliebt. Für mich war aber vor allem die Bustour durch Burnley sehr speziell. Überall waren Menschen, selbst auf Laternen und Dächern saßen Fans mit Burnley-Trikot oder Burnley-Schal – das werde ich immer in Erinnerung behalten.“

Der FC Burnley feiert den Aufstieg in die Premier League

Bei den Clarets traf er auf den damaligen englischen U21-Torhüter James Trafford, dem nachgesagt wurde, er habe das Potenzial, irgendwann das Tor der englischen Nationalmannschaft zu hüten. Die Kombination Kuhl/Trafford erwies sich als Glückstreffer. Der gebürtige Emsländer wusste genau, wie er Trafford fördern und fordern konnte. Am Ende war er für die herausragenden Leistungen des Torwarttalents mitverantwortlich. In 45 Ligapartien hielt Trafford 29-mal die Null. Das führte maßgeblich mit dazu, dass Burnley die Rückkehr in die Premier League realisieren konnte.

Doch es blieb nicht nur bei einem Aufstieg für Trafford. Seine Leistungen überzeugten Three-Lions-Teamchef Thomas Tuchel, der den Hoffnungsträger umgehend für die englische Nationalmannschaft nominierte. Auch Manchester City mit Startrainer Pep Guardiola war vom jungen Torwart begeistert und verpflichtete ihn im Sommer für 31,2 Millionen Euro. „James ist sportlich wie menschlich ein Hammertyp. Er bringt eine ganz besondere Kombination mit: Einerseits ist er sehr groß, andererseits aber auch sehr schnell. Durch seine Schnelligkeit kann er Positionen einnehmen, die andere Torhüter nicht besetzen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir von James noch viel hören werden“, betont Kuhl.

Ex-KSC-Torhüter Weiß will sich beim FC Burnley durchsetzen – „Großes Potenzial“

Während mit Routinier Martin Dúbravka nun eine neue Nummer 1 im Tor der Clarets steht, scharrt der bisherige KSC-Torhüter Max Weiß bereits mit den Hufen. Im Sommer war der 21-Jährige für 4 Mio. Euro nach England gewechselt. Einen Sprachvorteil gibt es für den jungen Torwart aber nicht. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass auf dem Platz und in der Kabine nur Englisch gesprochen wird. Dadurch kommt Max auch schneller im Team an. Wir sehen in ihm großes Potenzial und haben ihm einen klaren Plan aufgezeigt. Wir freuen uns sehr, dass er jetzt Teil des FC Burnley ist“, erklärt Kuhl, der selbst dankbar für seinen Weg ist.

„Ich sehe mich immer in der Rolle des Lernenden. In den nächsten Jahren möchte ich mich als Torwarttrainer noch weiterentwickeln und entsprechend mein Wissen weitergeben. Es ist einfach eine mega coole Erfahrung und ein Privileg zugleich, Torwarttrainer in der Premier League sein zu dürfen.“

Interview und Text von Henrik Stadnischenko

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