Florenz schießt den Vogel ab

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Nach vier Monaten im Amt hat sich der VfL Wolfsburg von Trainer Paul Simonis getrennt. Vier Monate, in denen es der Niederländer nicht geschafft hat, die Wölfe in standesgemäße Tabellenregionen zu führen. In der Hinsicht gehören die Niedersachen zu den acht am schlechtesten abliefernden Mannschaften der Top-5-Ligen Europas. Einige andere haben auf der Trainerposition ebenfalls schon die Reißleine gezogen.

Gemessen am Kaderwert dürfte Wolfsburg nicht 14. der Bundesligatabelle sein. Dort liegt man nach zehn Spielen unter Simonis mit nur einem Zähler vor dem Relegationsplatz und drei Punkten vor der direkten Abstiegszone. Der Kaderwert des VfL beträgt derzeit jedoch knapp 252 Millionen Euro. Nur sechs Team im deutschen Oberhaus werden höher bewertet. Zum tatsächlichen Tabellenrang ergibt das eine Diskrepanz von sieben Plätzen. Höchstwert im deutschen Oberhaus (zur Statistik: Kaderwert vs. Liga-Rank in der Bundesliga).
In allen Top-Ligen Europas übertreffen – im negativen Sinn – nur sieben Teams die Wölfe. Atalanta Bergamo in Italien, Real Sociedad in Spanien und Newcastle United mit Ex-Stuttgarter Nick Woltemade in England stehen um acht Plätze schlechter da als es ihr Kaderwert vermuten ließe. Bei den LaLiga-Klubs FC Valencia und FC Girona sind es neun Plätze. Nottingham Forest bleibt in der Premier League um elf Plätze hinter dem Marktwert-Vergleich zurück. Spitzenreiter wider Willen ist die AC Florenz, die mit einem katastrophalen Start in die Serie-A-Saison sogar eine Differenz von 13 Tabellenplätzen verursachte. Alle diese Ligen haben jeweils zwei Teams mehr als die Bundesliga.
„Im Fußball zählen am Ende Ergebnisse und Punkte. Und die Entwicklung in den letzten Wochen ist nicht so verlaufen, wie wir uns das alle erhofft haben“, sagte am Sonntag Wolfsburgs Sport-Geschäftsführer Peter Christiansen zur Trennung von Simonis. Der VfL kassierte am Freitag zuvor in Bremen die sechste Niederlage in den letzten sieben Ligapartien (plus Pokal-Aus gegen Kiel). Im aktuellen Kaderwert der Niedersachsen ist der schwache Saisonstart teilweise schon eingepreist. Die Bewertung, mit der man in die Saison gegangen war, lag inklusive aller Neuzugänge noch um 14 Mio. Euro höher.
Köln ist das Gegenstück zur Wolfsburger Diskrepanz
Sucht man – den Spieß einmal umgedreht – nach der am besten performenden Mannschaften in Europas Top-Ligen im Vergleich zum Kaderwert, landet man in England. In der Bundesliga ist der 1. FC Köln das Gegenstück zu Wolfsburg und übertrifft seinen Kaderwert um ganze sieben Tabellenplätze, in der Premier League ist Aufsteiger AFC Sunderland mit dem früheren Leverkusener Granit Xhaka dagegen sogar Vierter in der stärksten Liga der Welt, obwohl man im Kaderwert-Ranking Drittletzter ist. Auch hier gab es in den Marktwert-Updates der großen Ligen im Oktober schon eine kräftige Anpassung von 290 Mio. auf 340 Mio. Euro. Es war der prozentual höchste Marktwertgewinn aller Teams in der Premier League in dieser Saison (zu den Kaderwert-Entwicklungen der Premier League).
In der Bundesliga liegt Wolfsburg in der Kaderwert-Entwicklung der bisherigen Saison auf dem vorletzten Platz. Ein größeres Minus im Vergleich zum Start in die Saison inklusive aller Neuzugänge verbuchte nur der letzte Gegner der Wölfe, der Simonis letztlich den Job kostete; der SV Werder. Allerdings haben sich die Bremer seit dem letzten Marktwert-Update der Bundesliga-Klubs im Oktober sportlich gefangen, verloren keines der letzten fünf Spiele und stehen damit in der Formtabelle um zehn Plätze besser da als der VfL.
Unter den größten Krisenklubs waren einige schneller als die Wölfe mit der Entscheidung, den Trainer zu wechseln. Etwa bei Nottingham (Ange Postecoglou) und Florenz (Stefano Pioli) mussten erfolglose Coaches ambitionierter Klubs gehen. Nun folgte Simonis. So könnte die Statistik der größten Diskrepanz zwischen Kaderwert und Liga-Rang auch als Indikator für nahende Trennungen dienen.


